75. Festival de Cannes

17.05.2022 bis 28.05.2022
Cannes


"Broker" von Hirokazu Kore-eda (Südkorea 2022) hat den Preis der Ökumenischen Jury in Cannes 2022 gewonnen. Die internationale Festivaljury unter dem Vorsitz des französischen Schauspielers Vincent Lindon zeichnete seinen Hauptdarsteller Song Kang-ho mit dem Darstellerpreis aus. Die Goldene Palme ging an "Triangle of Sadness" (Schweden 2022) von Ruben Östlund, der die Trophäe bereits zum zweiten Mal (nach 2017 für "The Square") gewann. Einen Sonderpreis zum 75. Festivaljubiläum verlieh die internationale Jury an die Brüder Jean-Luc und Pierre Dardenne für ihren Wettbewerbsbeitrag "Tori et Lokita" (Belgien, Frankreich 2022). Der Grand Prix der Jury ging ex aequo an "Stars at Noon" von Claire Denis (Frankreich 2022) und an "Close" von Lucas Dhont (Belgien, Frankreich, Niederlande 2022). Als Bester Regisseur wurde der Koreaner Park Chan-Wook für seinen Film "Heojil Kyolshim" (Decision to Leave, Südkorea 2022) ausgezeichnet. Die Jury der internationalen Filmkritik (Fipresci) entschied sich für "Leila's Brother's" von Saeed Roustaee (Iran 2022) aus dem internationalen Wettbwerbs, "Le bleu du caftan" (The Blue Caftan, Marokko, Dänemark, Frankreich, Belgien 2022) aus der Sektion Un certain regard und "Dalva" (Love According to Dalva, Belgien, Frankreich 2022) von Emmanuelle Nicot aus den Parallelsektionen Quinzaine des Réalisateurs und Sémaine de la Critique als ihre Preisträger.

Am 17. Mai 2022 wurde das 75. Filmfestival in Cannes mit der Zombiekomödie "Coupez" (Final Cut, Frankreich 2022) von Michel Hazanavicius eröffnet. Zuvor hatte sich der ukrainische Präsident  Wolodymyr Selenskyj mit einer Ansprache per Video an das Festivalpublikum gewandt.

In der Kontroverse um die Teilnahme russischer Künstler an aktuellen Veranstaltungen entschied sich das Festival, keine offizielle russische Delegation einzuladen, aber einzelnen Künstlern die Teilnahme zu ermöglichen. So konnte der in Russland aus politischen Gründen für lange Zeit zu Hausarrest verurteilte Theater- und Filmregisseur Kirill Serebrennikov seinen neusten Film, "Žena Čajkovskogo" (Tschaikowskis Frau) im Internationalen Wettbewerb zeigen. Aus der Ukraine präsentierte das Festival als Special Screening den neuen Dokumentarfilm von Sergej Loznitsa, "The Natural History of Destruction". Ebenfalls als Special Screening lief "Mariupolis 2" des litauischen Regisseurs Mantas Kvedaravičius, der bei den Dreharbeiten in der von Russland inzwischen gänzlich kontrollierten Stadt getötet wurde. Der Film wurde von seiner Cutterin Dounia Sichov aus dem bereits gedrehten Material zusammengestellt. Hanna Bilobrova, die Lebensgefährtin des Regisseurs, rettete das Material aus Mariupolis und präsentierte den Film in Cannes als sein Vermächtnis.

Der Filmpublizist Peter Paul Huth, früher Filmredakteur bei ZDF/3sat, berichtet auf dieser Seite regelmäßig über das Festival. Interviews mit den Mitgliedern der Ökumenischen Jury, Fotos und zahlreiche französischsprachige Texte zu den Filmen des Festivals publiziert die Website der Ökumenischen Jury. Die von INTERFILM und SIGNIS berufene Jury vergab ihren Preis zum 48. Mal .

Link: Website des Festivals

Link: Website der Ökumenischen Jury in Cannes

Link: Porträt der Ökumenischen Jury in "The Hollywood Reporter"

Die Ökumenische Jury in Cannes 2022, v.l.: Praxedis Bouwman, Dietmar Adler, Waltraud Verlaguet (Jurypräsidentin), Monique Beguin, Mariola Marczak, Irina Margareta Nistor

Auszeichnungen

2022

Als ein Baby vor einem „Baby-Körbchen“ an einer Kirche abgegeben wird, versuchen zwei Männer zunächst, das Baby zu verkaufen, wobei Mädchen billiger sind als Jungen! Doch als die Mutter zurückkommt, entwickelt sich eine ganz andere Geschichte.

Der Film zeigt auf intime Weise, wie Familie auch ohne Blutsbande Familie sein kann. Leben und Seelen werden durch ein sicheres Umfeld beschützt, das von den drei Erwachsenen, einem Waisenjungen und dem Baby geschaffen wird - trotz der verschiedenen ausgesprochen schwierigen Hintergründe.

Die Hauptfiguren sind mit ihrer Schuld konfrontiert – in ihrer ganzen Verletzlichkeit. In einem berührenden Gespräch zwischen zwei Erwachsenen, von denen einer von seinen Eltern im Stich gelassen wurde und die andere ihr eigenes Kind im Stich gelassen hat, wird eindrücklich eine Form «stellvertretender Vergebung» eröffnet.

(Foto: © 2022 ZIP CINEMA & CJ ENM Co., Ltd., ALL RIGHTS RESERVED)

Mehr zum Festival

Es gab zwar keine eindeutigen Favoriten im Wettbewerb, aber mancher hatte es nach der begeisterten Reaktion bei der Premiere geahnt, dass der Schwede Ruben Östlund fünf Jahre nach seinem Triumph mit „The Square“ wieder die Goldene Palme gewinnen würde.
Drei Filme aus Belgien sind in diesem Jahr in den Wettbewerb von Cannes eingeladen, man spricht schon von einem belgischen Filmwunder. Was die drei Filme „Tori et Lokita“, „Le otto montagne“ und „Close“ verbindet, ist das Motiv der Freundschaft. Sie erzählen von der Kraft und Verbundenheit, die daraus erwächst, aber auch von den Gefährdungen, denen die Freundschaften ausgesetzt sind.
In einer weiteren Folge seiner Berichterestattung aus Cannes setzt sich Peter Paul Huth mit den Wettbewerbsfilmen von Armand Desplechin, Valerie Bruni-Tedeschi, David Cronenberg und den Brüdern Dardenne auseinander.
Als Special Screenings zeigte Cannes zwei Dokumentarfilme zum Thema Krieg. Sergei Loznitsa montiert in "The Natural History of Destruction" Aufnahmen aus dem 2. Weltkrieg von Luftangriffen auf europäische Städte zu einem erschreckend aktuell erscheinenden Geschichtsbild. Mantas Kvedaravičius wollte seine 2014 und 2015 gedrehten Film über Mariupolis fortsetzen und wurde in der Stadt erschossen. Das Festival zeigte mit "Mariupolis 2" das gerettete Material.
In seinem Bericht aus Cannes stellt Peter Paul Huth die Wettbewerbsfilme von Ali Abbasi und Ruben Östlund vor.