Bericht von Jochen Mündlein über den Kinder- und Jugendfilmwettbewerb des Festivals 2025

Der französisch-belgische Animationsfilm Autokar von Sylwia Szkiłądź erhielt sowohl den  den Preis der Ökumenischen Jury als auch den der festivaleigenen Kinderjury. Die filmische Reise der kleinen Agata von Polen nach Belgien in den 1990er Jahren wirft einen retrospektiven und kindlichen Blick auf den spannungsvollen Umgang mit der individuellen Erfahrung von politischen Grenzen, Begegnung mit kultureller Fremdheit und der Sehnsucht nach Heimat. Auf der nächtlichen Busfahrt verwandeln sich Agatas Mitreisende in Tiergestalten. Zuerst Figuren der Angst, werden sie im Laufe des Filmes zu positiven Aushandlungsflächen für Agatas Sehnsucht nach ihrer Familie. In Autokar werden die Motive der Reise, der Heimat und der Grenze mit Fragen der eigenen Identität verbunden und durch transzendente Traumsequenzen zugänglich.

Das Thema Familie und Identität durchzog die verschiedenen Filme des Kinder- und Jugendwettbewerbs. Angefangen von Filmen für die Altersgruppe 3+ bis hin zu Produktionen für Jugendliche ab 16+ wurden unterschiedliche Dynamiken und Formen von Familie repräsentiert, die in einer Spannung stehen zwischen emotionalen Schutzräumen und herausfordernden politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen, einengenden Traditionen und herausfordernden Rollenmustern. Gleichzeitig wurde auch die Sehnsucht nach Familie als Rückzugsort in einer komplexen Lebenswirklichkeit heranwachsender Menschen deutlich. Besonders eindrucksvoll waren die vielfältigen und pluralistischen Darstellungen von Familien, beispielsweise durch Darstellung alleinerziehender Väter und generationsübergreifender Frauenbünde. Die verschiedenen Kurzfilme zeigten in überraschenden Wendungen, wie wir unsere Vorstellungen von Kind- und Elternschaft immer wieder neu hinterfragen dürfen und müssen. Der Schutz- und Sehnsuchtsraum Familie kann gleichermaßen zum Käfig werden, der Vorstellungen und Lebensweisen überstülpen will, und deshalb filmisch hinterfragt werden darf.

Das Motiv der Familie war in vielen Filmen verwoben mit religiösen Fragen und Vorstellungen. So ging es um den Umgang mit der Erfahrung von Tod, die Sehnsucht nach Transzendenz, das Aufbegehren gegen eine durch Erwachsene bestimmte Welt und die Erfahrung von Trennung. Die britische Produktion Happy Snaps von Tyro Heath wirft einen emotionalen und sensiblen Blick auf die Herausforderung einer inklusiven Freundschaft, die mit körperlichen Einschränkungen umgehen muss. Die Ökumenische Jury zeichnete diesen Film mit einer lobenden Erwähnung aus.

Als eigenständiges Format innerhalb der internationalen Kurzfilmtage Oberhausen wirft das Programm des Kinder- und Jugendfilmwettbewerbs einen breiten und umfassenden Blick auf die Herausforderungen und Fragen junger heranwachsender Menschen, die sich thematisch in den Beiträgen der internationalen Kurzfilmtage insgesamt spiegeln. In der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, den Ungewissheiten der Zukunft und den Herausforderungen individueller Lebensumstände, werden die Filme zu Traumorten, die einen Blick auf die Möglichkeit einer anderen Welt werfen. 

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