Zu den Mythen der Filmgeschichte zählt die Nouvelle Vague, die Ende der 50er Jahre das französische Kino revolutionierte. Eine Gruppe von Filmkritikern der Zeitschrift „Cahiers du Cinéma“ - Francois Truffaut, Claude Chabrol, Jacques Rivette und Éric Rohmer - beginnt, selbst Filme zu machen. Einer ihrer Wortführer, der Schweizer Jean-Luc Godard, ist 1960 mit seinem ersten Spielfilm „À bout de souffle“ (Außer Atem) relativ spät dran. 

Der amerikanische Regisseur Richard Linklater zeichnet in „Nouvelle Vague“ die Entstehungsgeschichte des legendären Werks nach. Godard wird von dem relativ unbekannten Guillaume Marbeck gespielt, den man aufgrund seiner Ähnlichkeit ausgewählt hatte. Er darf die typischen Sinnsprüche über das Kino äußern, für die Godard berühmt war (“Tout ce dont vous avez besoin pour un film, c'est d'un flingue et d'une fille” - Alles, was Sie für einen Film brauchen, ist eine Knarre und ein Mädchen. Oder: “L'important n'est pas de savoir d'où l'on prend les choses, mais où on les emmène.” - Es kommt nicht darauf an, woher man die Dinge nimmt, sondern wohin man sie bringt). Entsprechend geizt Godard in „Außer Atem“ nicht mit Zitaten aus anderen Filmen, vor allem verweist er auf seine filmischen Vorbilder im amerikanischen Kino, demonstrativ muss Jean-Paul Belmondo eine Geste von Humphrey Bogart imitieren und sich mit dem Daumen über die Lippe streichen. Das wirkt im Abstand von 65 Jahren etwas spätpubertär. Godard tritt mit dem Anspruch an, das Kino neu zu erfinden, gleichzeitig hat er das Bedürfnis, ständig mit Klassiker-Zitaten von da Vinci bis Gauguin um sich zu werfen.

Richard Linklater hat die Dreharbeiten von „Außer Atem“ amüsant in Szene gesetzt, wie Godard z.B. den Produzenten Pierre Beauregard zur Verzweiflung treibt, wenn er die Dreharbeiten nach zwei Stunden abbricht, weil ihm die Inspiration fehlt. Im Schnitt wird das Material dann mit Jump Cuts etc. so aufbereitet, dass der Film dank seiner Form bis heute als innovativer Meilenstein der Filmgeschichte gilt wird und Godard als Revolutionär des modernen Kinos verehrt wird. Linklaters Film unterstreicht noch einmal diese Heldengeschichte.

Anders als Michel Hazanavicius, der vor acht Jahren mit „Redoutable“ (2017) ein ironisches Portrait von Godard zeichnet. Sein Film konzentriert sich auf das Jahr 1968, als Godard, hinreißend interpretiert von Louis Garrel, zusammen mit Francois Truffaut das Festival von Cannes sprengt, um mit großer Geste die Revolution vom Pariser Quartier Latin an die Côte d’Azur zu tragen. Danach begann Godards maoistische Phase, die er mit den Ausläufern des ‚Mai 68‘ teilte. Der Meister war darüber nicht amused  und sprach von einer „sehr dummen Idee“. 

Auch im Film von Stéphane Demoustier, „L’inconnu de la Grande Arche“ (Der Unbekannte des Triumphbogens), in der Reihe Un certain regard, geht es um ein Making Of, allerdings um ein Werk der Architektur. 1982 entscheidet sich Präsident François Mitterand für den Entwurf eines relativ unbekannten dänischen Architekten für sein Projekt eines modernen Triumphbogens im Finanzdistrikt La Défense. Als der Name des Siegers des Architekturwettbewerbs fällt, herrscht im Elysée-Palast allgemeine Ratlosigkeit. Johann Otto von Spreckelsen?! Nie gehört! Ein Anruf bei der dänischen Botschaft in Paris hilft auch nicht weiter. Mit feiner Ironie zeichnet Regisseur Stéphane Demoustier die Entstehungsgeschichte des pharaonischen Projekts am Eingang von La Défense und die kompromisslose Haltung des dänischen Architekturprofessors von Spreckelsen (Claes Bang), der bis dahin nur drei Kirchen und ein Wohnhaus in entworfen hatte. 

Im Laufe der Jahre wird der ursprüngliche Entwurf immer weiter verwässert, so dass der Architekt schließlich das Handtuch wirft und seinen Namen zurückzieht. Es ist traurig die Differenz zu sehen, zwischen von Spreckelsens eigentlichem Entwurf und dem fertigen Bauwerk. Eine durchgehende Glasfront wie sie I.M. Pei in Boston gebaut hatte, ist in Frankreich nicht zulässig, der Marmor aus Carrara wird durch eine billigere Variante ersetzt, die kleinen Würfel, die das Ensemble auflockern sind gestrichen. Der Architekt stirbt mit 57 Jahren, bevor sein Bau 1989 zum 200jährigen Jubiläum der Französischen Revolution eingeweiht wird. So endet der Film auf einer melancholischen Note. Warum sollte man ihn sich ansehen? Nicht zuletzt wegen des Ensembles von französisch-dänischen Stars: Xavier Dolan als umtriebiger Präsidentenberater, Swann Arlaud als Architekt Paul Andreu, der den Bau vollendet, Claes Bang als von Spreckelsen und Sidse Babette Knudsen als seine Frau und engste Mitarbeiterin. 

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