Eine Quelle der Inspiration

Die kirchlichen Jurys bei den Internationalen Kurzfilmtagen

Zum 50. Jubiläum der Oberhausener Kurzfilmtage präsentierten die Filmorganisationen der evangelischen und katholischen Filmarbeit als "Special" des Festivals ein eigenes Programm. Zur Einführung hielt Karsten Visarius, Leiter des Filmkulturellen Zentrums im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik in Frankfurt, ein Referat über die Bedeutung des Kurzfilms für die Kirchen.

Kirche und Kino, das ist eine lange Beziehung. Sie ist so alt wie der Film selbst. Schon die Brüder Lumière drehten nicht nur die Arbeiter beim Verlassen ihrer Fabrik oder die Ankunft eines Zuges, sondern auch einen Film über Leben und Passion Christi. Einen Kurzfilm natürlich, so lang wie eine Filmrolle. Alltagsbeobachtung, imposante Technik – und eine alte, tief im Gedächtnis verankerte Geschichte, die das Selbstverständnis der christlichen Welt geprägt hat und immer wieder neu in Frage stellt. Der Film sucht seine Stoffe überall, im Naheliegenden und Vertrauten wie im Fernen und Fremden. Er hat einen neuen Raum geschaffen, der das Leben nebenan und das in weiter Distanz, Realität und Imagination, äußere und innere Bilder umfasst. Gerade an dieser Schnittstelle zwischen Innen- und Außenwelt setzt die kirchliche Filmarbeit mit ihrem seit Jahrzehnten kontinuierlich betriebenem Engagement an. "Hinter den Augen ein eigenes Bild", so hieß programmatisch ein Band mit Aufsätzen aus der katholischen Filmarbeit, der diesen dem Film eigentümlichen Übergang zum Thema machte. Längst sind es nicht mehr die im engeren Sinn religiösen Stoffe und Motive, auf die sich das Interesse der Filmarbeit der Kirchen konzentriert. Ihre besondere Färbung erhält sie durch die Aufmerksamkeit für Filme, die Grundfragen der menschlichen Existenz, ethische Konflikte und Kritik an Ungerechtigkeit und Unterdrückung artikulieren. Sie versteht sich als Bündnispartner des engagierten Kinos und lässt sich dabei immer wieder durch die ästhetische Kreativität der Filmkunst herausfordern.

Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen bieten für ein solches Engagement ein ergiebiges Feld. Wenn das Festival in diesem Jahr sein 50. Jubiläum feiert, können die Kirchen auf eine 40jährige Beteiligung an seiner Geschichte zurückblicken. 1963 beteiligte sich erstmals eine katholische Jury an den Kurzfilmtagen, die evangelische Kirche war durch Beobachter vertreten; 1964 etablierte auch INTERFILM, die internationale ökumenische Filmorganisation, eine evangelische Festivaljury. Seit dem Jahr 2000 wirken katholische Kirche und INTERFILM in einer gemeinsamen Ökumenischen Jury zusammen. Eine stattliche Liste von Preisträgern ist im Laufe dieser Zeit zustande gekommen, von denen das Sonderprogramm der Kirchen zum Jubiläum einige wenige Beispiele zeigt. In ihnen spiegelt sich die Vielfalt der Internationalen Kurzfilmtage als Quelle der Inspiration.

Wenn es ein verbindendes Merkmal für den Kurzfilm gibt, so ist es seine Diversität. Er passt sich allen Kontexten an, in denen Filme je gezeigt wurden, und spiegelt alle Gattungen, die die Filmgeschichte hervorgebracht hat. Er kann dokumentarisch und erzählend, animiert oder experimentell sein, er ist Gebrauchsprodukt ebenso wie autonomes Kunstwerk. Die Kurzfilmtage haben sein ganzes Spektrum gezeigt und unter wechselnden Aspekten zum Thema gemacht. Aus seiner kommunikativen Offenheit und Vielfalt schöpft der Kurzfilm immer wieder überraschende ästhetische Gestaltungsmöglichkeiten.

Die kirchlichen Jurys haben ihre Preisträger stets auch mit Blick auf die nichtgewerbliche Bildungsarbeit in Schulen und Gemeinden ausgewählt – und darüber hinaus zahlreiche Filme des Festivalprogramms für diesen Bereich empfohlen. Ihre in den Diözesen und Landeskirchen arbeitenden Medienstellen haben Kurzfilme über den Tag hinaus verfügbar gemacht. Ob sie politische Interventionen sind, Dokumente einer verdrängten Geschichte oder einer marginalisierten Kultur, Porträts im Schatten stehender Individuen oder Gruppen, ob sie parabelhafte Gleichnisse erzählen oder experimentell die Ordnung der Dinge in Frage stellen, in all diesen Formen haben sie nicht nur die Aufmerksamkeit des Festivals, sondern auch die der Kirchen gefunden. Auf dem alljährlichen Ökumenischen Empfang zum Festival dokumentieren sie nicht nur ihre Verbundenheit mit den Kurzfilmtagen, sondern thematisieren auch die sozialen und kulturellen Funktionen, die Kurzfilme ausüben. Auf einem solchen Empfang hat Werner Schneider-Quindeau, damals Filmbeauftragter der EKD, den Kurzfilm als "experimentelles Laboratorium und kommunikativen Anstoß" gewürdigt und seine innovative Kraft hervorgehoben. Den "Charme des Anfangs" habe er nie verloren. Das gilt für den Kurzfilm auch in Jubiläumsjahren.