Von Peter Paul Huth
Eröffnungsfilm: "Partir un jour" von Amélie Bonnin (© 2025 Topshot Films - Les Films du Worso - Pathé Films - France 3 Cinéma)


40 Jahre nachdem sie mit Rendez-Vous unter der Regie von André Techiné zum ersten Mal an die Croisette kam, eröffnete Juliette Binoche glamourös in einer arabisch anmutenden Robe den Abend als Präsidentin der Jury. Ehrengast war der 81jährige Robert de Niro, der mit einer Goldenen Palme für seine Karriere ausgezeichnet wurde. 1975 hatte er mit Martin Scorseses Taxi Driver die Palme schon einmal bekommen. Der Höhepunkt des Abends war seine Dankesrede, in der er sich politisch unmissverständlich äußerte. Es lohnt sich, sie ausführlicher zu zitieren.

“In my country, we’re fighting like hell for the democracy we once took for granted. And that affects all of us here because the arts are democratic. Art is inclusive. It brings people together, like tonight. Art looks for truth, art embraces diversity and that’s why art is a threat — that’s why we are a threat — to autocrats and fascists.” 

(In meinem Land kämpfen wir wie verrückt um die Demokratie, die wir einst für selbstverständlich hielten. Und das betrifft uns alle hier, denn die Kunst ist demokratisch. Kunst ist inklusiv. Sie bringt die Menschen zusammen, so wie heute Abend. Kunst sucht nach Wahrheit, Kunst umarmt die Vielfalt, und deshalb ist Kunst eine Bedrohung - deshalb sind wir eine Bedrohung - für Autokraten und Faschisten.)

Zum ersten Mal zeigte das Festival von Cannes zur Eröffnung einen Debütfilm (außer Konkurrenz). Amélie Bonnin hat die Geschichte ihres Kurzfilms Partir un jour (Leave One Day) zu einem Spielfilm erweitert und dabei die Rollen der Protagonisten getauscht. Während ursprünglich der Mann in den Ort seiner Jugend zurückkehrt, ist es jetzt die Frau, die dort ihre Jugendliebe wiedertrifft. Nachdem die ambitionierte Köchin Cécile (Juliette Armanet) die TV-Show „Top Chef“ gewonnen hat, beschließt sie, ein Gourmet-Restaurant in Paris aufzumachen.  Der Herzinfarkt ihres Vaters bringt sie zurück zu ihren Eltern, die ein einfaches Lokal für Fernfahrer betreiben. Hier begegnet Cécile ihrer Jugendliebe Raphaël (Bastien Bouillon), einem passionierten Motocross-Fahrer. Alte Gefühle werden wieder lebendig.

In besonders emotionalen Momenten fangen die Protagonisten plötzlich an zu singen. „Es ist aber kein Musical“ sagt die Regisseurin, „sondern ein Film mit Liedern, die reflektieren, wie unser Leben von Musik geprägt ist. Musik, die die entscheidenden Augenblicke unseres Lebens begleitet.“ Juliette Armanet ist in Frankreich ohnehin als Sängerin bekannt.  Die Lieder sind – bien sûr - auf Französisch, „aber es geht um Fragen, die wir uns alle stellen“, sagt Amélie Bonnin. „Wenn ich einen anderen Weg eingeschlagen hätte, wie würde dann mein Leben aussehen?“

Der Titel „Partir un jour“ zitiert einen populären französischen Popsong aus den 90er Jahren und Amélie Bonnins Film erzählt auf intelligente Weise von nostalgischen Gefühlen und dem Vergehen der Jugend. Vom Aufstieg aus einfachen Verhältnissen und dem Klassenunterschied zwischen Haute Cuisine und Cuisine Populaire. Mit dem sympathischen Feel-Good-Movie Partir un jour ist Cannes ein optimistischer Start gelungen. 

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