Zwischen Himmel und Erde. Pfarrerfiguren im Film

Vortrag im Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums, 11. Dezember 2013. Von Karsten Visarius

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie zu meinem Einführungsvortrag zu der Filmreihe „Im Namen Gottes – Der evangelische Pfarrer im Film“, die die Ausstellung zum evangelischen Pfarrhaus im Deutschen Historischen Museum begleitet.

Schon wenn Sie die Inhaltsangaben der Filme im Programmheft des Zeughauskinos lesen, werden Sie unschwer erkennen, dass Sie es mit einem ziemlich heterogenen Material zu tun haben. Nicht nur, weil die Filme aus unterschiedlichen Ländern und unterschiedlichen Epochen der Filmgeschichte stammen. Auch die Sujets, der narrative Fokus, sogar die Genres mischen sich, und ich werde diesen bunten Teppich noch um einige zusätzliche Farbtupfer erweitern. Wir sind damit schon bei einer ersten These, eher einer Feststellung: DEN Pfarrerfilm gibt es nicht, auch kein Pfarrerfilmgenre, so wenig wie DEN evangelischen Pfarrer. Nur mit einiger Mühe kann man wenigstens aus den skandinavischen Beispielen eine Art Filmfamilie erschließen, deren Mitglieder eine nähere oder fernere Ähnlichkeit, ein eher verstecktes als offensichtliches Aufeinanderbezogensein verraten. Die Klammer, die unsere Reihe zusammenhält, wird einzig und allein von der Wiederkehr von Angehörigen eines bestimmten Berufsstandes gebildet.

Dennoch reicht diese mindestens filmanalytisch nicht sehr starke Klammer aus, um die Filme als ein Muster von Fragen und Antworten, von Ergänzungen, Verschiebungen und Kontrasten, von Problemen und Lösungen, von geneigten oder kritischen Perspektiven lesen zu können.

Das hat einerseits mit gemeinsamen Voraussetzungen, Funktionen und externen wie internen Zuschreibungen des Pfarrberufs selbst, andererseits aber auch mit der Verwandlung einer realen gesellschaftlichen und kirchlichen Rolle in Kinofiguren zu tun. Kinopfarrer sind keine Kirchenpfarrer, höchstens sehr bedingt. Dieser Übergang, diese Mutation muss uns als erstes beschäftigen, wenn wir das Schicksal des Pfarrers im Kino verstehen wollen. Oder eben doch: das Schicksal der Pfarrer, im Plural. Zu diesem Plural gehört inzwischen auch, dass es neben den männlichen auch weibliche Pfarrerfiguren gibt.

Ich komme zu meinem ersten Beispiel. Jacob, ein protestantischer Priester aus dem Süden der USA, verwitwet und durch den Tod seiner Frau vom Glauben abgefallen, wird mit seiner Tochter und seinem Sohn von zwei Gangstern überfallen, einem Bruderpaar. Um der Verfolgung der Polizei zu entgehen, zwingen sie ihre Geiseln, sie in einem Wohnmobil über die mexikanische Grenze zu bringen. In einer Spelunke gerät einer der Brüder in eine Prügelei und wird verletzt. Beim Anblick des Blutes verwandeln sich das Personal einschließlich einer vorwiegend weiblichen Rockband und der Großteil der Gäste in einen wahrhaft monströsen Schwarm von Vampiren, die sich auf die verbleibenden Menschen stürzen und sie durch ihre Bisse ebenfalls in Monster verwandeln.

Zuletzt verbarrikadieren sich der zweite Bruder, die beiden halbwüchsigen Kinder und auch der bereits gebissene, aber noch nicht verwandelte Priester in einem nur durch einen schmalen Gang zugänglichen Lagerraum. Hier nun schlägt Jacobs Stunde. Genötigt von dem überlebenden Bruder, bekennt er sich als Diener Gottes, weiht durch seinen Segen die in dem Lager aufbewahrten Spielzeugwaffen und macht sie auf diese Weise zu tauglichen Kampfinstrumenten. Seine Kinder lässt er schwören, ihn zu töten, wenn er sich selbst zu verwandeln beginnt.

„From Dusk Till Dawn“ (USA, 1996) heißt dieser furiose, überraschende und jedenfalls für Cineasten sehr vergnügliche Film, inszeniert von Roberto Rodriguez und hochkarätig besetzt mit George Clooney und Juliette Lewis als den beiden zuletzt Überlebenden, Quentin Tarantino als krankhaft sadistischem Bruder Clooneys und Harvey Keitel als Priester, der gerade noch rechtzeitig zum Glauben zurückfindet, aber auch als Vater und Gegenfigur zu den beiden Gangstern Courage beweist. Er ist ein echter Kinoheld, sozusagen in Großbuchstaben. Abgesehen von seiner moralischen Unbeugsamkeit und der Fähigkeit, die Empirie zu transzendieren, hat er jedoch mit Pfarrern der irdischen Welt nichts mehr zu tun. Das Kino hat ihn mit Haut und Haaren und Amt komplett verschluckt. Wir haben länger darüber nachgedacht, ob wir ihn in unsere Filmreihe aufnehmen sollten und uns dann dagegen entschieden, nicht nur, weil wir befürchtet haben, unser Publikum mit einem Action-Splatter-Movie zu verfehlen, wenn nicht gar zu erschrecken. Ich wollte Ihnen jedoch diesen Father Jacob, der – wie immer bei Rodrigues&Tarantino – aus dem Spiel mit Kinomotiven und ihrer Übersteigerung entstanden ist, heute Abend nicht vorenthalten. Er zeigt zumindest, dass das Potential der Figur größer ist als gewöhnlich vermutet.

Der „Standardpfarrer“ des Kinos, wie ihn die meisten kennen, hat einen weitaus beschränkteren Aktionsradius. Er tritt nur dann auf, wenn Schlüsselsituationen des Lebens sein Zutun verlangen: bei der Geburt zur Taufe, bei der Hochzeit zur Trauung, beim Tod zur Beerdigung. So sehen wir ihn in zahllosen Filmen aus der Schar der Statisten und Nebendarsteller hervor- und wieder zurücktreten. Sein eigenes Leben, seine Arbeit, zu schweigen von seiner Innenwelt, bleiben uns verborgen. Dennoch können die Gelegenheiten kirchlicher Zeremonien eine ganz eigene Intensität gewinnen, zuletzt etwa in „Die andere Heimat“ von Edgar Reitz, in der die Folge der Todesfälle das wachsende Elend der Hunsrückgemeinde Schabbach akzentuiert.

An diesem wiederkehrenden Schrecken prallen die Trostworte des Pfarrers zuletzt ab oder finden sogar empörten Widerspruch. Der episch-historische Gang des Films, der uns in eine bäuerliche Welt in der Mitte des 19. Jahrhunderts führt, verdeutlicht dabei die Verwobenheit des Alltags mit den Momenten religiöser Erfahrung und seine Einfassung in einen kirchlich-rituellen Rahmen. Wenn sich die Erfahrungen der Not schließlich zum Entschluss zur Auswanderung summieren, dem Zentralmotiv des Films, dann fehlt auch nicht der Reisesegen des Pfarrers, den er zum Abschied erteilt.

Ich zeige Ihnen jetzt einen ersten Filmausschnitt, nicht aus dem Film von Edgar Reitz, sondern ein heiteres Gegenstück, das die Kunst des Darstellers  zu einem großen Kinomoment gemacht hat. Sie werden den Film vermutlich gleich erkennen. Wir sehen einen – vermutlich anglikanischen – Geistlichen bei einer Trauungszeremonie.

Ausschnitt 1: Vier Hochzeiten und ein Todesfall (0:35:30 – 0:39:30)

Das war Rowan Atkinson als Father Gerald in Mike Newells romantic comedy „Four Weddings and A Funeral“ (GB 1994). Im Vergleich zu seinen Auftritten als Mr. Bean hält sich der Schauspieler hier weitgehend zurück und erzielt gerade deshalb einen unwiderstehlich komischen Effekt. Die Szene ist jedoch nicht nur ein Kabinettstück des Darstellers. Sie illustriert auch das aller zeremonieller Feierlichkeit innewohnende Risiko des Misslingens, mit dem sich die kirchlichen Akteure arrangieren müssen. Und darüberhinaus die Verschränkung des Sakralen und des Theatralen: von Kirchenraum und Bühne, von Pfarrer und Schauspieler, von Gemeinde und Publikum. Father Gerald ist nicht vergesslich oder unfähig, sondern leidet bei seinem ersten großen Auftritt unter Lampenfieber. So bekommt er auch, wenn alles überstanden ist, den verdienten Applaus der Zuschauer-Gemeinde.

Ich möchte an dieser Stelle einen kurzen Exkurs zum Fernseh-Pfarrer einschalten. Es gibt sie viel häufiger als Kino-Pfarrer, und während im Kino katholische Priester ein deutliches Übergewicht haben, so ist es im Fernsehen eher umgekehrt. Und meist erscheinen sie dort gleich im Serien-Format. „Eine himmlische Familie“, im amerikanischen Original „Seventh Heaven“, hat mit 242 Folgen in 11 Staffeln zwischen 1996 und 2007 bisher den Rekord aufgestellt [1] Serialität, also die Variation einer immer wiederkehrenden und immer wiedererkennbaren Grundkonstellation, das Fernsehprinzip per se, steht aber in scharfem Kontrast zur Logik des Kinofilms, der seine Geschichte in einem Zug, von der Eröffnungsszene bis zum Schluss, zu Ende bringen muss. Diese Logik des „Einzelstücks“ hat, in Verbindung mit der einzigartigen Suggestivität der Kinowahrnehmung, eine ganz andere Dramaturgie und Pointierung, Figurenzeichnung und Psychologie, Motiv- und Stoffwahl, Visualität und Raumstrukturierung zur Folge. Ich kann es deshalb bei dieser Bemerkung belassen und kehre, wie es mir auch die Filmreihe des Zeughauses vorgibt, im folgenden zum Kinofilm zurück – mit einem zweiten Ausschnitt, der die Kunst der Pointierung besonders wirkungsvoll vor Augen führt. Er stammt vom Anfang der amerikanischen Produktion „Stars in My Crown“ von Jacques Tourneur aus dem Jahr 1950.

Ausschnitt 2: Stars in My Crown, 0:03:18 – 0:04:28

Schneller und nachdrücklicher hat sich wohl kaum ein Pfarrer seiner Gemeinde vorgestellt – und damit auch uns, dem Kinopublikum. Joel McCrea, sein Darsteller, ist vor allem durch Western bekannt geworden, eine Prägung, die der Szene eine weitere, kinointerne Dimension verleiht. Die Geschichte, die kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg spielt, ist jedoch ein Südstaatendrama, das den Pfarrer als einen mutigen Verteidiger der Bürgerrechte von Schwarzen porträtiert. So steht er einem freigelassenen Sklaven gegen einen Lynchmob des Ku-Klux-Clan bei. Ein zweiter Erzählstrang handelt von seinem Konflikt mit einem jungen, areligiösen Arzt, der ihm während einer Typhus-Epidemie verwehrt, die Sterbenden zu besuchen – mit der Begründung, er würde sonst die Seuche weiter verbreiten.

Das medizinisch-aufgeklärte Argument stürzt den Pfarrer in tiefe Selbstzweifel. Als der Arzt ihn zuletzt doch an das Bett seiner sterbenden Verlobten ruft, um ihr mit Gebeten beizustehen, macht uns Tourneur, in der Sprache der Dramaturgie, zum Zeugen einer überraschenden Wendung zum Besseren, in religiösen Worten: eines Wunders. Am Morgen bewegt ein Windhauch die Vorhänge, und die Kranke schlägt die Augen auf. Tourneurs Pfarrer Josiah Gray gelingt, was in den anderen Filmen unserer Reihe unmöglich erscheint: die Verbindung von männlicher Tatkraft, moralischem Rückgrat und spiritueller Potenz.

Für das amerikanische Kino ist es keineswegs selbstverständlich, dass der Pfarrer auf der Seite des Wahren und Guten steht. Es kennt auch die dubiosen, zwielichtigen oder sogar dämonischen Façetten religiöser oder pseudo-religiöser Welten. Dazu gehört unter anderem die Rolle des falschen, selbst ernannnten Predigers, den Robert Mitchum in Charles Laughtons „The Night of the Hunter“ (USA 1955) verkörpert – ein Grenzfall unseres Themas. Und auch ein mit anderen Filmen kaum vergleichbarer Solitär der Kinogeschichte. Mitchum spielt einen als Geistlichen getarnten Verbrecher, der hinter einer plastischen religiösen Rhetorik und der Fassade moralischer Strenge seine wahren Absichten verbirgt – alleinstehende Frauen zu umgarnen, sie dann zu ermorden und ihren Besitz zu rauben. Je schlichter seine Predigten, in denen er die christliche Botschaft auf den Kampf zwischen Liebe und Hass reduziert, desto wehrloser seine Opfer.

Zwei Kinder, Junge und Mädchen, widersetzen sich seinem dämonischen Charme, der allen anderen den Verstand vernebelt. Sie wissen, was er sucht, und weshalb er ihre Mutter geheiratet hat: das Geld aus einem Bankraub ihres Vaters, der im Gefängnis gestorben ist und mit dem Prediger die Zelle geteilt hat. Wie vorauszusehen, wird die Mutter ermordet. Die Kinder fliehen und driften dabei in eine lyrisch-archaische Welt zwischen Märchen, Traum und Halluzination, verfolgt von der Stimme Mitchums und einem Kirchenlied, das er ständig wiederholt. „The Night of the Hunter“ porträtiert die beklemmende Welt einer falschen Frömmigkeit, der die verwaisten Kinder nur auf dem Weg einer magisch-rituellen Passage ins Irreale entkommen.

Das Echo der Mitchum-Figur lässt sich bis zu Paul Thomas Andersons „There Will Be Blood“ (USA 2007) verfolgen, in Gestalt des evangelikalen Predigers Eli Sunday, dem Gegenspieler des Erdölproduzenten Daniel Plainview, seiner Hauptfigur. Der eine wird von dem Streben nach Reichtum beherrscht, der andere von einem Glauben, der, ebenso ausschließlich, nichts anderes neben sich duldet. Ihr verbissener Kampf, der die Demütigung des anderen verlangt, reißt beide in den Abgrund.

Der Regisseur, der in „Magnolia“ (USA 1999) einen himmlischen Froschregen über das in Schuld verstrickte Los Angeles niedergehen ließ und in „The Master“ (USA 2012) einen charismatischen Sektenführer im Amerika der 50er Jahre reüssieren ließ, hat offenbar Sinn für die unorthodoxen Ausprägungen des Religiösen. In Eli Sunday und Daniel Plainview lässt er zwei Formen des Unbedingten aufeinander prallen, die beide bis heute tief in der amerikanischen Kultur und Gesellschaft verwurzelt sind. Die Datierung der Geschichte auf die Zeit um 1900 unterstreicht die Dauerhaftigkeit der beiden Obsessionen. Dabei ist Eli Sunday mehr als ein religiöser Fanatiker. Sein Glaube verlangt vor allem eines: unbedingte Unterwerfung.´

Und ist doch zugleich Niederschlag eines Selbstbehauptungswillens, an dem sich der sowohl von politischer Macht wie von Reichtum ausgeschlossene Eli aufzurichten vermag. Ob sein Sendungsbewusstsein oder Plainviews Rücksichtslosigkeit den größeren Schaden anrichten, lässt Anderson offen.

Was Anderson für die amerikanische Gesellschaft um 1900 demonstriert, die Signifikanz eines kirchlich-religiösen Typus für ihre Grundstrukturen und -konflikte, das leistet Michael Hanekes „Das weiße Band“ (Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien 2009) für die deutsche Gesellschaft kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Im Unterschied zum amerikanischen Beispiel und seiner auf Gewalt zulaufenden Konfliktdramaturgie gehen in Hanekes Vorkriegsdeutschland Kirche, Obrigkeit und Besitz Hand in Hand. Gewalt existiert dennoch und macht sich, wie ein verleugnetes Krankheitssymptom, in mysteriösen Anschlägen wie aus dem Nichts bemerkbar. Exemplarisch für die Ausübung und gleichzeitige Verleugnung von Gewalt ist die titelgebende Szene im Pfarrhaus des norddeutschen Dorfes, in dem die Handlung angesiedelt ist.

Weil seine Kinder sich bei der Rückkehr ins Elternhaus ohne befriedigende Entschuldigung verpätet haben, bestraft sie der Pfarrer, indem die ganze Familie auf das Abendessen verzichten muss, beschämt sie zusätzlich mit dem Vorwurf, die Eltern in Angst versetzt zu haben, und brandmarkt ihren Ungehorsam für die ganze Gemeinde mit dem Makel eines weißen Bandes, das sie bis zur Tilgung ihrer Schuld durch dauerhaft tadelloses Benehmen tragen werden. Sie verstünden gewiss, dass er sie am nächsten Morgen hart züchtigen müsse. Dies alles, schließt er seine Ansprache, sei vor allem für ihn und ihre Mutter eine traurige und schmerzhafte Erfahrung. Die Szene verdichtet einen autoritären Erziehungsmechanismus, der von seinen Opfern auch noch die Einsicht in seine Unvermeidlichkeit verlangt.

Überwölbt wird diese Praxis durch eine protestantische Glaubenslehre, die Strenge und Gehorsam in den Mittelpunkt stellt. Wie sich herausstellt, haben die Kinder die ihnen zugefügte Gewalt internalisiert und üben sie selbst gegenüber Schwächeren oder Ahnungslosen aus. Mit diesem Befund lässt Haneke sie in die Zukunft gehen.

Wenn die Ausstellung des DHM die Vorbildfunktion des Pfarrhauses für das soziale und kulturelle Gefüge der Gemeinden und umgekehrt für das Selbstbild der Pfarrerfamilie belegt, so bilanziert Hanekes Film unter anderem den psychischen Druck und die Zwänge, die aus solchen Ansprüchen erwachsen. (Die auf umfangreichen Recherchen beruhende historische Detailtreue des Films ist von der Kritik übrigens nicht angezweifelt worden.) Das Eingeständnis der dunklen Seiten protestantischer Glaubens- und Erziehungspraxis wird allerdings durch die historische Distanz und eine längst vollzogene innerprotestantische (Selbst-)Kritik beträchtlich erleichtert.

Weniger bedrückend, aber dennoch vergleichbar problemlastig sind auch die anderen deutschen „Pfarrerfilme“. Harald Brauns „Nachtwache“ von 1949, mit Unterstützung der evangelischen Kirche entstanden und heute kaum noch zugänglich, erzählt von einem evangelischen Pastor und einem katholischen Kaplan, die sich in gegenseitiger Unterstützung mit einem ganzen Bündel von Kriegsfolgen auseinandersetzen müssen: dem Tod von Kindern, zerbrochenen Beziehungen, Schuldgefühlen und Glaubensverlust, gespiegelt auch in aktuellen Schicksalsschlägen. Falk Harnacks „Unruhige Nacht“, 1958 gedreht nach einer Novelle des Dichters und Pfarrers Albrecht Goes, thematisiert die Verantwortung eines evangelischen Militärgeistlichen bei der Hinrichtung eines wegen Fahnenflucht verurteilten Soldaten im 2. Weltkrieg und bezieht sie in der aktuellen Rahmenerzählung auf die Kontroverse um die westdeutsche Wiederbewaffnung.

Alfred Anderschs Roman „Sansibar oder der letzte Grund“ von 1957, vier Jahre später, also 1961, von Rainer Wolffhardt für das Fernsehen und 1987 noch einmal von Bernhard Wicki verfilmt, versammelt in einer Gruppe von Nazigegnern auf der Flucht über die Ostsee auch einen Pfarrer, der eine Barlach-Figur retten will. Und in seinem auch mit komödiantischen Elementen aufgelockerten DEFA-Film „Einer trage des Anderen Last“ von 1988 führt Lothar Warneke in einem Lungensanatorium Anfang der 50er Jahre einen Volkspolizisten und einen evangelischen Vikar in einem gemeinsamen Krankenzimmer zusammen, um sie nach einer Reihe von Zusammenstößen zu einer Versöhnung untereinander, aber damit auch, wie der Regisseur uns nahelegen will, von Staat und Kirche überhaupt finden zu lassen.

Immer auf dem Hintergrund der nationalsozialistischen Vergangenheit verkörpern alle diese Pfarrer eine metapolitische Instanz, der zugetraut wird, politische Konflikte entweder zu lösen oder mindestens zu entschärfen. Eine leicht zu durchschauende Projektion? Gewiss. Aber wer durch den letzten, der Nachkriegszeit gewidmeten Teil der Pfarrhausausstellung geht, findet als charakteristischen Zug zahlreiche Zeugnisse über das politische Engagement der Pfarrerschaft. Die Filme fügen sich nahtlos in dieses Bild.

Eine weitaus tiefere Verstrickung in gesellschaftlich-politische Zusammenhänge, genauer gesagt: Schuldzusammenhänge greift einer der ältesten Filme unserer Filmreihe auf – Carl Theodor Dreyers „Tag der Rache“ (Dänemark 1943). Ich komme damit zu dem „skandinavischen Komplex“ der Pfarrerfilme, der deutlich umfangreicher ist, als es unsere Auswahl verrät. Viele der zu diesem Subgenre des Gesellschaftsdramas zu rechnenden Filme haben es nicht in unsere Kinos geschafft; „Briefe an Vater Jakob“ von Klaus Harö, ein aktuelles Beispiel, das wir heute abend zeigen, gehört ebenfalls dazu. Dreyers Film hingegen ist ein wenigstens unter Filmhistorikern unbestrittener Klassiker.

Dreyer, der vor allem durch eine grandiose, in Frankreich gedrehte Stummfilm-Version der „Passion der Jungfrau von Orleans“ von 1928 in Erinnerung geblieben ist, dürfte, so meine These, an der Pfarrerfilm-Häufung in Skandinavien nicht ganz unschuldig sein. Der älteste Film unserer Reihe, „The Parson’s Widow“ (Dänemark 1921) stammt ja ebenfalls von ihm. Klassiker hinterlassen meist deutliche Spuren, sie stiften Traditionen, die es ohne sie nicht oder nur abgeschwächter gäbe; ja, Traditionsstiftung ist das, was sie zu Klassikern macht.

„Tag der Rache“ – ein irreführender deutscher Titel, richtiger wäre „Tag des Zorns“ – versetzt uns zurück in das beginnende 17. Jahrhundert, die Reformation ist gerade etwa hundert Jahre alt. Eine Frau flieht in ein Pfarrhaus, weil sie von der Menge als Hexe gejagt wird. Die junge Pfarrersfrau Anne will sie schützen, wurde doch ihre eigene Mutter einst als Hexe verdächtigt und durch ihren jetzigen Mann, den wesentlich älteren Absalom, gerettet. Nicht ohne das eigensüchtige Motiv, dadurch die Hand der Tochter zu gewinnen. Dieses Mal versagt der Pfarrer der verfolgten Frau seine Hilfe, liefert sie der Folter und nach ihrem Geständnis dem Scheiterhaufen aus. Inzwischen ist Martin, der Sohn des Pfarrers aus erster Ehe, in sein Elternhaus zurückgekehrt. Anne, die sich ihrem Mann entfremdet hat, verliebt sich in ihn; er scheint ihre Gefühle zu erwidern. Als sie Absalom das Verhältnis gesteht, erleidet er einen Herzschlag und stirbt.  Annes Schwiegermutter klagt sie als Hexe an und beschuldigt sie, ihren Mann umgebracht zu haben, Martin stellt sich auf ihre Seite. Anne bekennt sich schuldig und wird verurteilt.

Dreyers Film wirkt so, als sei der von Walter Benjamin geprägte Begriff vom „Schuldzusammenhang alles Lebendigen“ geradezu auf ihn gemünzt. Verstrickt in Schuld sind ausnahmslos alle seine Figuren.

Wenn Dreyer für diesen Befund seinen Scheinwerfer auf ein Pfarrhaus richtet, dessen Bewohner einer verschärften Selbstgerechtigkeit erliegen, so steigert er noch dessen Trostlosigkeit. Und er versäumt auch nicht, seine Sicht der Dinge durch Bibelbezüge zu erhärten. Der Filmtitel selbst, Tag des Zorns, lateinisch Dies irae, nimmt Bezug auf den Tag des Jüngsten Gerichts, den ein Kirchenlied zu Beginn des Films in den düstersten Wendungen ausmalt; seine letzte Zeile lautet: „Tag des Zorns, ach wie sie standen vor Seinem Thron in Bußgewanden, gehüllt in Sünden und in Schanden.“ Wenn ich von Schuldzusammenhang gesprochen habe, so benennt das Kirchenlied sein theologisches Pendant: die Sünde. Sie durchdringt Dreyers Film in einem Maße, dass von der Freude des Evangeliums rein gar nichts mehr zu spüren ist.

Bei dieser niederschmetternden Bilanz eines Pfarrhausfilms muss man allerdings in Rechnung stellen, dass er im Zweiten Weltkrieg und im von den Nazis okkupierten Dänemark entstanden ist. Dreyer selbst hat alle aktuellen politischen Bezüge abgestritten. Dennoch markiert die Nazi-Herrschaft den Zusammenbruch jener bürgerlichen Welt, mit der, wie die Ausstellung deutlich macht, das protestantische Pfarrhaus eng verwoben ist. So lässt sich die politische Einfärbung des Pfarrerbildes im deutschen Nachkriegsfilm auch als Suche nach einer Neupositionierung verstehen. Davon unabhängig ist das Thema Schuld und Schuldigwerden im skandinavischen Pfarrerfilm eine Konstante geblieben, bis hin zu Annette Olesens „In deinen Händen“, wiederum ein dänischer Film von 2004. Olesen erzählt von einer jungen, ambitionierten Pastorin in einem Frauengefängnis, die während ihrer Schwangerschaft mit einem möglicherweise behinderten Kind einen schweren Fehler begeht. Sie denunziert eine der gefangenen Frauen, in der sie eine spirituell begabtere Konkurrentin erkennen muss, und verursacht dadurch deren Tod. Dass sie trotz bester Absichten an sich selbst scheitert, ist die bittere Pointe des Films.

„Die besten Absichten“ trägt ein Film im Titel, mit dem ich zu der zweiten überragenden Figur des skandinavischen Films und meinem letzten Filmausschnitt komme.  Regisseur Bille August inszenierte darin ein Drehbuch des Pfarrersohns Ingmar Bergman, in dem dieser die Geschichte seiner Eltern bis zu dem Moment erzählt, als seine Mutter mit ihm schwanger war. Henrik Bergman, so heißt sein Vater im Film, und Anna Åkerblom stammen aus gegensätzlichen Welten, er ein sozialer Aufsteiger, der sich sein Theologiestudium erkämpfen musste, sie behütete Tochter aus großbürgerlicher Familie. Nach langem Widerstand, vor allem von Annas Mutter, finden die Liebenden endlich zusammen und planen die Hochzeit.

Die folgende Szene spielt in der Kirche einer nordschwedischen Gemeinde, in der Henrik Bergman seine erste Pfarrstelle antreten soll. Unvermittelt schlägt er Anna vor, in dieser Kirche zu heiraten, einem ehemaligen Gewächshaus, statt, wie geplant, im Dom von Uppsala. Weil der ganze Ausschnitt zu lang ist, springen wir mitten in die Szene hinein.

Ausschnitt 3: Die besten Absichten, 1:32:20 – 1:36:26

„Wie sollen wir jetzt mit all dem weiterleben,“ fragen sich die beiden später, wenn sie sich wieder versöhnt haben. Ich habe die Szene vor allem wegen ihrer psychologischen Nuancen und Wendungen bis hin zum unbeherrschten Ausbruch physischer Gewalt ausgesucht. Sie bringt einerseits sozialen Konfliktstoff zur Sprache, verdeutlicht aber auch ein Bündel von Charaktermerkmalen, die mit der Herkunft, aber auch mit dem Habitus eines akademisch gebildeten Theologen und dem Rollenverständnis eines schwedischen Pfarrers zusammenhängen.

Ein masochistischer Stolz auf den Verzicht und die eigene Genügsamkeit, Verachtung gegenüber den Formen der besseren Gesellschaft, Selbstherrlichkeit und Rechthaberei bis zum Wutausbruch gegenüber jedem, der sich Widerspruch erlaubt, moralische Überheblichkeit: es ist ein umfangreicher, damit noch gar nicht ausgeschöpfter Katalog unangenehmer Eigenschaften, die Bergmans Drehbuch dem Bräutigam und Pfarrer, seinem künftigen Vater, zuschreibt. Neben ihrer Aggressivität haben diese Charakterzüge noch eine zweite Seite – das Leiden an sich selbst, eine autoaggressiv bekämpfte Weichheit und Empfindsamkeit, die sich hinter einer mal förmlichen, mal schroffen Fassade verbirgt. Er ist, wie viele männliche Bergman-Figuren, ein innerlich Zerrissener.

Bille Augusts Film von 1992, der auch in einer längeren Fernsehfassung vorliegt, ist ein episch breites, historisches Familien- und Gesellschaftsgemälde. Bergmans eigener Pfarrerfilm drängt hingegen die Handlung auf wenige Stunden zusammen, von einem Morgen- bis zu einem Vespergottesdienst des gleichen Tages, in Form einer bohrenden Befragung und Selbstbefragung der Hauptfigur.  Pastor Tomas Ericsson in „Licht im Winter“ (Schweden 1996) muss seine Gottesdienste nicht nur vor fast leeren Kirchenbänken über die Bühne bringen. Wie Father Jacob bei Rodrigues hat auch er durch den Tod seiner Frau seinen Glauben verloren. Nur ein leeres Pflichtgefühl hält ihn im Amt.

Im Unterschied zum amerikanischen Beispiel versagt er jedoch bei den Prüfungen, die das Drehbuch für ihn bereit hält. Er versagt vor den Gefühlen seiner ehemaligen Geliebten, die ihn um Rückkehr bittet, und kränkt sie durch seine Kälte; und er versagt vor den Ängsten eines Fischers über die atomare Gefahr, der sich von ihm vergeblich geistlichen Trost erhofft und ungetröstet Selbstmord begeht. Bergman lässt seinen Pfarrer Tomas scheitern, menschlich und metaphysisch.

Und bietet ihm dann doch zuletzt Trost durch den Mund eines Küsters, der ihn an die Verlassenheit Jesu im Garten Gethsemane erinnert. Dieser Trost gibt ihm immerhin die Kraft, wieder und noch einmal das Abendmahl zu feiern, wenn auch nur noch Küster, Organist und verstoßene Geliebte die Gemeinde bilden. Bergman hat in diesem Film seinem Abschied vom Glauben Ausdruck verliehen, aber die Erinnerung an dessen Gründungsszene bekräftigt.

Ich habe meinen Vortrag überschrieben mit dem Titel „Zwischen Himmel und Erde“, nicht nur, weil ich das alltägliche Spannungsverhältnis einer Pfarrerexistenz formulieren wollte. Sondern auch aufgrund des Eindrucks, dass sich die evangelischen Pfarrer der Filmgeschichte von irdischen Problemen und Konstellationen allzu stark gefangennehmen lassen, von politischen Fragen, psychologischen Kräften, von Macht- und Selbstbehauptungstrieben. Auch ethische Konflikte würde ich zu diesem „irdischen“ Pol zählen. Das Handgemenge mit der Welt hier und jetzt ist für Christen ganz unvermeidlich, sogar eine ökumenische Gemeinschaftsüberzeugung. Trotzdem möchte ich fragen: wo bleibt das Andere, wo bleibt die Alterität religiöser Fragen, wo bleibt in den filmischen Pfarrerfiguren der Gottesbezug, wo bleibt der Himmel? Luther hat ja die Geistlichen und die Gläubigen gleichgestellt. Was in einer für alle von Gott erfüllten Welt noch keine genuin religiösen Probleme aufwirft, wohl aber in einem „säkularen Zeitalter“, wie Charles Taylor es genannt hat.

Bei Bergman gibt es diesen Pol, diesen Bezug auf „das Andere“ im Negativen, in Form eines quälenden Leere- und Verlassenheitsgefühls, das die ganze Person intellektuell, emotional und kommunikativ lähmt. Inzwischen hat das skandinavische Kino auch positive Imaginationen hervorgebracht, die sich über das Andere definieren, zwei davon werden in der Zeughaus-Filmreihe gezeigt – der eine aus Dänemark, der andere aus Finnland.

Es handelt sich um „Adams Äpfel“ von Anders Thomas Jensen (Dänemark 2005), und, heute Abend im Programm, „Post für Vater Jakob“ von Klaus Harö (Finnland, Schweden 2009).

Äußerlich betrachtet, sind beide Filme eine Resozialisierungsparabel. In „Adams Äpfel“ nimmt Pfarrer Ivan entlassene Straftäter bei sich auf – Gunnar, einen Sexualstraftäter und Alkoholiker, Khalid, einen arabischen Tankstellenräuber, und Adam, einen besonders widerspenstigen, aggressiven Neonazi. Gegen jeden Augenschein hält Ivan an der Überzeugung fest, dass seine Untermieter gute, nur vorübergehend irrende Menschen sind, die sich auf Dauer Gottes Güte öffnen werden. Diese Überzeugung weckt vor allem bei Adam höchsten Widerwillen. Er entdeckt, das Ivan verleugnet, als Kind missbraucht worden zu sein, seine Frau durch Selbstmord verloren und einen geistig behinderten Sohn zu haben. Der eklatante Verstoß gegen das Realitätsprinzip provoziert erst bei Adam, dann bei seinen Gesinnungsgenossen massive physische Gewalt gegen Ivan, dessen Glaube schließlich zu wanken beginnt.

Völlig zu Recht ist der Film als schwarze Komödie verstanden worden. Er hat die Unberührbarkeit von Slapstick-Helden wie Buster Keaton durch äußere Katastrophen gewissermaßen in die geistig-moralische Welt übertragen. Wie sie, gibt auch Ivan nie auf. Alle Rückschläge, Kränkungen und Verletzungen nimmt er als Prüfungen seines Glaubens wahr, die ihn in seinen Überzeugungen nur bestärken. Diese hartnäckige Verkennung, stilistisch höchst lakonisch inszeniert, erzeugt unaufhörlich komische Effekte, bei denen der Zuschauer sich unwillkürlich auf der Seite des ungläubigen Adam wiederfindet – der zugleich, dummerweise, ein Nazi ist. Zum Glück kein unbelehrbarer. Was die Reaktionen und die Rezensionen ebenso hartnäckig übersehen, ist der Rückgriff des Films auf einen traditionellen Typus der religiösen Überlieferung. Pfarrer Ivan ist nämlich nichts anderes als ein heiliger Narr, der nicht der Alltagsvernunft, sondern einer anderen Wahrheit folgt. Und deshalb verlacht und stigmatisiert wird. Bis sich zeigt, dass er ein verkannter Weiser ist – in religiösen Begriffen ein Mensch, der bereits jetzt in der Gnade Gottes steht. Für die Phänomenologie der Filmpfarrer muss man festhalten, dass er in eine riskante Position am Rande der Gesellschaft geraten ist.

Das gilt für Pastor Jacob in dem finnischen Film von Klaus Harö nicht minder. Pastor Jakob ist ein alter, blinder Mann, der in einer ländlichen Einöde lebt. In zahllosen Briefen erzählen ihm Kranke, Notleidende und Bedrängte ihre Kümmernisse mit der Bitte, ihnen zu helfen. Denn er, der Blinde, gilt als einer, der, wenn nichts mehr hilft, Gottes Hilfe herbeirufen kann. Als seine Haushälterin stirbt, braucht er eine Nachfolgerin, die ihm die Briefe vorliest. Eine aus dem Gefängnis entlassene Mörderin wird ihm zur Verfügung gestellt, eine energische, verschlossene Frau, die Pastor Jakobs Brief- und Betreuungspraxis für baren Unsinn hält und bald dafür sorgt, dass der Postbote sich keine Briefe mehr zuzustellen erlaubt.

Ich muss den Film nicht weitererzählen, sie können seine wundersamen Wendungen heute Abend selbst sehen. Auch Pastor Jakob ist ein Außenseiter, einsam und möglicherwiese ein bisschen verrückt. Als er einmal glaubt, zu einer Trauung gerufen worden zu sein, bleibt er in der Kirche allein. Seine „Gemeinde“ sind die Absender der Bitt- und Dankbriefe, die er erhält. Durch das Eingreifen seiner neuen Haushälterin gehen auch sie ihm verloren.

Alle diese Details, alle Motive der Geschichte und ihr ganzer Verlauf fügen sich schlüssig zusammen, wenn man erkennt, dass Pastor Jakob nichts weniger als ein Heiliger ist und der Film folglich eine Heiligenlegende erzählt. Er ist die Wiederkehr eines religiösen Narrativs im profanen Raum des Kinos. Das nimmt ihm nichts von seiner Plausibilität und nichts von seinem Realitätsbezug.

Dieser Umstand scheint so anstößig zu sein, dass er in keiner der mir bekannten Reaktionen wahrgenommen oder auch nur am Rande erwähnt wird. Auch nicht von der Lübecker Pastorin, die über den Film so begeistert war, dass sie ihm eine Predigt widmete. Und mein hochgeschätzter Kollege Georg Seeßlen, der im aktuellen Heft der Zeitschrift epdFilm unserem Thema einen großen Essay gewidmet hat, scheint zwar die Wahrheit gespürt zu haben, wischt sie aber gleich wieder beiseite.

Vielleicht sind wir davon entwöhnt, dem Heiligen in unserer Gegenwart zu begegnen. Vielleicht gehört aber auch Verkennung zu seinem Wesen. Auch die großen Pfarrerfiguren aus der katholischen Welt teilen dieses Schicksal, der Priester in Robert Bressons „Tagebuch eines Landpfarrers“ so gut wie der in Luis Buñuels „Nazarin“. Mit Klaus Harös Film haben sie jetzt ein evangelisches Pendant gefunden. Ich weiß nicht, ob die Filmgeschichte meiner Einschätzung folgen wird. Aber irgendwann muss man ja anfangen, sie zu schreiben. Ich verspreche Ihnen einen eindrucksvollen Kinoabend und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


[1] Weitere Beispiele: Pfarrer in Kreuzberg, 1977, 13 Folgen; Oh Gott, Herr Pfarrer, 1988, 13 Folgen; Mit Leib und Seele, 1989-1993, 4 Staffeln, 51 Folgen; Pfarrerin Lenau, 1990-91, 13 Folgen; Schwarz greift ein, 1995-1998, 3 Staffeln, 41 Folgen; Pfarrer Braun, 2003-2012, 22 Folgen; Herzensbrecher, 2013, bisher 10 Folgen