69. Internationale Filmfestspiele Berlin

07.02.2019 bis 17.02.2019
Berlin

Verleihung des Ehrenpreises an Festivaldirektor Dieter Kosslick, v.l.: INTERFILM-Präsidentin Julia Helmke, Dieter LKosslick, Jurypräsidentin Anna Grebe

"God Exists, Her Name Is Petrunya" von Teona Strugar Mitevska, ein Film aus Nordmazedonien, hat den Preis der Ökumenischen Jury für einen Film des Internationalen Wettbewerbs gewonnen. Im Forum vergab die Jury ihren Preis an den österreichischen Dokumentarfilm "Erde" von Nikolaus Geyrhalter, im Panorama zeichnte sie die australische Produktion "Buoyancy" von Rodd Rathjen.aus. Eine Lobende Erwähnung erhielt "Midnight Traveler" von Hassan Fazili.

Den Goldenen Bären verlieh die Internationale Jury unter Jurypräsidentin Juliette Binoche an den Film "Synonymes" des israelischen Regisseurs Nadav Lapid. Weitere Preise erhielten "Grâce à Dieu" von François Ozon, der sich mit einem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche Frankreichs auseinandersetzt (Silberner Bär, Großer Preis der Jury), "Systemsprenger". ein Debütfilm von Nora Fingerscheidt (Silberner Bär, Alfred-Bauer-Preis) und der zweite von insgesamt drei deutschen Wettbewerbsbeiträgen, "Ich war zuhause, aber" von Angela Schanelec (Silberner Bär, Beste Regie). Der Favorit von Publikum und Kritik, der chinesische Wettbewerbsbeitrag "Di jiu tian chang" (So Long, My Son) von Wang Xiaoshuai, wurde mit den beiden Darstellerpreisen ausgezeichnet. Der Silberne Bär für die Beste Darstellerin ging an Yong Mei, der für den Besten  Darsteller an Wang Jingchun.

Die dänisch-kanadische Koproduktion "The Kindness of Strangers" von Lone Scherfig hatte am 7. Februar die Berlinale 2019 eröffnet. Die aus dem Umkreis der Dogma-Gruppe stammende Regisseurin war bereits mehrfach Gast des Festivals. Es war die letzte Berlinale unter der Leitung von Dieter Kosslick, den die kirchlichen Filmorganisationen INTERFILM und SIGNIS auf dem Ökumenischen Empfang der Kirchen am 10. Februar mit einem Ehrenpreis auszeichneten.

Die Ökumenische Jury besteht seit 1992. Die erste kirchliche Jury, 1954 entsandt vom Office catholique internationale de cinéma (OCIC), nahm ihre Arbeit bereits auf, als die Bären noch durch eine Publikumsabstimmung ermittelt wurden. Erst 1956 wurden zwei internationale Jurys (für Spiel- und für Dokumentarfilme) durch das Festival berufen. Die erste evangelische INTERFILM-Jury verlieh 1963 ihren Preis an den amerikanischen Film "Lilies of the Field" von Ralph Nelson.

Download: Laudatio von INTERFILM-Präsidentin Julia Helmke auf Festivaldirektor Dieter Kosslick

Link: Bericht von Dietmar Adler auf feinschwarz.net

Link: Website des Festivals

Siehe auch die Seite des Festivals auf der Website von Pro-Fil mit Artikeln zu Filmen der Berlinale (auf französisch)

Auszeichnungen

God Exists, Her Name Is Petrunya
2019

Die Ökumenische Jury verleiht ihren Preis an das zeitgenössische Gleichnis "Gospod postoi, imeto i’ e Petrunija (God Exists, Her Name Is Petrunya)" für seine wagemutige Schilderung der Verwandlung einer machtlosen jungen Frau in eine entschiedene Verteidigerin der Frauenrechte. Als Petrunya spontan an einem Ritual der orthodoxen Kirche teilnimmt, in dessen Rahmen junge Männer einem Kreuz hinterherspringen, das von einem Priester in einen Fluss geworfen wird, bricht sie mit sozialen und kirchlichen Traditionen. Ihre anfängliche Weigerung, das Kreuz zurückzugeben, setzt ihre innere Kraft angesichts institutioneller Konventionen frei und offenbart, dass Gott in ihr selbst ist. (Foto: © sistersandbrothermitevski)

Earth
2019

Die Ökumenische Jury vergibt ihren Preis an "Erde" für die Beschreibung der Verwüstung unseres Planeten durch menschliches Eingreifen - ein drängendes Thema unserer Zeit. Dieser Dokumentarfilm zeigt schneidend scharfe Bilder von der Zerstörung der Topographie der Erde und ebenso offenherzige Gespräche mit Arbeitern, Ingenieuren und Wissenschaftlern. Die Jury hebt besonders das Klagelied einer indigenen Kanadierin für Mutter Erde am Ende des Films hervor, das uns dazu einlädt, unsere Verantwortung zu reflektieren. (Foto: © Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion)

Regie:
2019

Der Film handelt von moderner Sklaverei und erzählt auf einzigartig erschütternde Weise vom Erwachsenwerden. Rodd Rathjens vorzüglich inszenierter Debütspielfilm folgt einem 14-jährigen Jungen aus Kambodscha, der auf dem Lande aufgewachsen ist und der Armut seiner Familie zu entkommen sucht, jedoch auf einem thailändischen Fischerboot versklavt wird. Die erbärmlichen und grausamen Zustände drohen seine Seele zu zerbrechen, doch er findet den Überlebensmut, die Ketten zu sprengen. Indem der Film in seiner dichtmaschigen Erzählung die brutale Wirklichkeit freilegt, beleuchtet er als ein künstlerischer Aufruf zum Handeln die weitgehend übersehenen Menschenrechts-verletzungen im Zentrum unserer globalen Ökonomie. (Foto: © Rafael Winer)

Regie:
2019

Die Ökumenische Jury vergibt eine Lobende Erwähnung an "Midnight Traveler" für seine einzigartige Darstellung einer Fluchterfahrung. Indem er die Flucht seiner Familie aus Afghanistan lediglich durch die Verwendung von Filmmaterial nacherzählt, das anhand von drei Smartphones aufgezeichnet wurde, verleiht Fazili der weltweiten Migrationskrise eine besondere Dringlichkeit und Unmittelbarkeit. Seine rauen und gleichermaßen liebevollen Bilder werden durch den entschlossenen Geist seiner Frau und seiner beiden Töchter vertieft und offenbaren hoffnungsvolle Menschlichkeit und immerwährende Liebe inmitten laufend sich wandelnder Umstände. (Foto: © Old Chilly Pictures)

Mehr zum Festival

Vorsichtig setzt Li Senlin einen Fuss vor den anderen. Sie geht auf Rollschuhen. Nicht, um schnell dahinzugleiten, durch die elterliche Wohnung, über die Straßen der südchinesischen Stadt Hangzhou, durch Parke und verborgene Höhlen, sondern um Schritt für Schritt nach einem Gleichgewicht zu suchen. So beginnt Karsten Visarius seinen Bericht über chinesische Filme auf der Berlinale 2019.