Robert Redford in "Die drei Tage des Condor" (Three Days of the Condor, Sydney Pollack, 1975 - © Studiocanal)


Um es gleich vorwegzunehmen, Robert Redford (*18. August 1936 - †16. September 2025) war ein Idol meiner Jugend. Ich kann mich gut erinnern, wie ich 1969 „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ (Zwei Banditen) sah. Damals gab es in Bergisch Gladbach, wo ich zur Schule ging, noch ein Kino. Als die beiden von Paul Newman und Robert Redford gespielten Outlaws an einem gottverlassenen Bahnhof in Bolivien ankommen, sagte ein holländischer Austauschschüler spontan, „Wie der Busbahnhof von Bergisch!“

Redford war einer der prägenden Schauspieler im New Hollywood-Kino der späten 60er und frühen 70er Jahre. Er war cool und rebellisch, ein Antiheld in der Welt angepassten Spießertums. Dafür verehrten wir ihn. Die Frauen waren begeistert, weil er so gut aussah, blond und blauäugig. Sein Aussehen war enorm hilfreich für seine Karriere in Hollywood, aber es war das Rebellische, Unangepasste, was uns faszinierte. In „The Candidate“ (Bill McKay – Der Kandidat, 1972) spielt er einen idealistischen jungen Anwalt, der als Kandidat für die Wahl als Senator aufgestellt wird. Im Lauf der Kampagne bleibt von seinen progressiven Ideen immer weniger übrig, am Ende nur noch reduziert auf den Slogan „Bill McKay – The Better Way". 

Regisseur Michael Ritchie hatte TV-Spots für den demokratischen Senator John Tunney gedreht, Drehbuchautor Jeremy Larner war 1968 im Wahlkampfteam von Senator Eugene McCarthy. Wenn man auf die letzten Jahrzehnte zurückblickt, zeigt sich „The Candidate“ als ein prophetischer Film, der die Mechanismen der amerikanischen Politik im medialen Wahlkampf offenlegt und ein tiefes Gefühl der Desillusionierung hinterlässt. Robert Redford, ohne den das Projekt nicht hätte realisiert werden können, nannte ihn „a labour of love“, der Kritiker Roger Ebert lobte den „sharply observant, almost documentary realism“ des Films.

Redford hat sein Star Appeal immer wieder für unabhängige, engagierte Filme eingesetzt. So zum Beispiel für „Tell Them Willie Boy Is Here“(Blutige Spur,1969), basierend auf der realen Geschichte eines Native American, der kurz nach der Jahrhundertwende von einer Meute weißer Kopfgeldjäger verfolgt wird. Es war nach 20 Jahren die erste neue Regiearbeit von Abraham Polonsky, der in den 50er Jahren als Kommunist auf die Schwarze Liste gesetzt wurde. 

Robert Redford stammte aus einfachen Verhältnissen. In seiner Jugend war er eine Zeitlang in Europa unterwegs und versuchte sich als Maler. Seine Erfahrungen im Amerika der Nachkriegsjahre haben ihn nachhaltig geprägt.“My memory begins with the end of the Second World War”, sagte der 1936 geborene Redford in einem Interview. “So I grew up with a lot of propaganda as a kid. There was a lot of red, white and blue going on, you know, and I bought into it. And then, as time went on and I grew up and went out in the world, I realized that there was a big gray area out there, where life was much more complicated. I said, I think I like to make films that are about that, that gray zone.”

Zurück zu „Butch Cassidy and the Sundance Kid”, der bei der Premiere wenig Anklang bei der Kritik fand und heute als Kultfilm gefeiert wird. Der Drehbuchautor William Goldman war acht Jahre lang mit der Geschichte von zwei realen Outlaws beschäftigt, die nach Bolivien fliohen, als sie in den Vereinigten Staaten gejagt wurden. Der zuständige Studiochef fand das gar nicht gut. "I don't give a shit. All I know is John Wayne don't run away."[. Redford wurde aufgefordert, den Schnurrbart abzurasieren, den er sich für die Dreharbeiten hatte wachsen lassen. Er weigerte sich mit der Begründung, so hätten die Outlaws damals ausgesehen. Gegen alle Widerstände wurde „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ ein riesiger Kassenerfolg und etablierte Redford als Star. Es war einer seiner Lieblingsfilme und lieferte die Inspiration für das Sundance Institute und Filmfestival.

Ende der 80er Jahre übernahm Redford ein kleines Filmfestival in Park City, Utah, das er zu einem Showcase für unabhängig produzierte Filme machte. „In the beginning we only had one cinema. I was standing at the corner trying to get people to watch the film.“ Heute ist Sundance das wichtigste Filmfestival in den USA, ein Sprungbrett für unbekannte Filmemacher, darunter große Namen, die hier ihre ersten Filme zeigten, Regisseure wie Quentin Tarantino, Darren Aronofsky, Nicole Holofcener, David O. Russell, Ryan Coogler, Robert Rodriguez, Chloé Zhao, Ava DuVernay und zahlreiche andere. Aus dem kleinen Festival für unabhängig produzierte Filme wurde im Laufe der Jahre ein Glamour-Event, was Redford gar nicht behagte. “I want the ambush marketers — the vodka brands and the gift-bag people and the Paris Hiltons — to go away forever”, sagte er einem Reporter 2012. “They have nothing to do with what’s going on here!”

“Unlike other stars of his caliber, he took risks by exploring dark and challenging material “, schrieb die New York Times. Für Redford war das Kino auch eine moralische Anstalt. „I don’t like the word message, I prefer to speak of a purpose.” Früh kaufte er die Rechte am Buch der Washington Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein, die den Watergate Skandal aufgedeckt hatten. „All the President’s Men“ (Die Unbestechlichen, 1976) wurde ein enormer Erfolg. Redford hatte den Film mitproduziert und spielte zusammen mit Dustin Hoffman die Hauptrolle. Ähnlich engagiert und politisch noch radikaler war „Three Days of the Condor“ (Die drei Tage des Condor, 1975). Unter der Regie von Sidney Pollack agiert Redford als introvertierter CIA-Mitarbeiter, der Romane auf potentielle Bedrohungsszenarien analysiert. Als er eines Tages aus der Mittagspause zurückkommt, findet er seine Kollegen ermordet und weiß, dass auch er in Gefahr ist. 

Bei der Kritik hatte es Redford oft schwer. Er sah einfach zu gut aus und wurde von den Studios als Sexsymbol vermarktet. „Film critics loved to kick Mr. Redford“, wie die New York Times schrieb. Die meiste Häme gab es für seine Rolle als Jay Gatsby in der Verfilmung des berühmten Romans von Scott Fitzgerald. „‘The Great Gatsby’ has become the movie to hate. Slaughtered by the critics, the film is also being insulted in the subways: ‘This movie stinks’” (Foster Hirsch 1974 in der NY Times).

Kein Wunder, dass er als Schauspieler nur einmal für einen Oscar nominiert wurde und nie einen gewann. Als Regisseur hatte Redford mehr Glück. Sein Debüt „Ordinary People“ (Eine ganz normale Familie, 1980) war ein Riesenerfolg und gewann auf Anhieb für vier Oscars, u.a. als Bester Film und Redford als Bester Regisseur. Auch seine späteren Filme wie „A River Runs Through It“ (Aus der Mitte entspringt ein Fluss, 1992) und „Quiz Show“ (1994) fanden großen Anklang bei der Kritik. 

Obwohl er über Jahrzehnte einer der größten Stars des amerikanischen Kinos war, hatte er zu Hollywood immer ein ambivalentes Verhältnis. Als er 2013 in Cannes auf der Pressekonferenz zu seinem Film „All Is Lost“ befragt wurde, wie er Hollywood überlebt habe, antwortete Redford: „Perhaps I survived because I was in the Hollywood system and at the same time I kept away from it. I built a house in the mountains because I wanted to keep a distance from the temptations of Hollywood. I felt that Hollywood wouldn’t be good for my artistic desires“. In den Bergen von Utah wurde Redford zu einem engagierten Umweltaktivisten, der sich auch für die Interessen der Native Americans einsetzte. 

Robert Redford hat als Schauspieler das kritische Kino des New Hollywood der späten 60er und frühen 70er Jahre geprägt. Wie nur wenige Stars seiner Generation hat er es geschafft, seine Karriere danach erfolgreich fortzusetzen und sich als Regisseur zu etablieren. Mit dem Sundance Institute und dem gleichnamigen Filmfestival hat er das unabhängige Kino unterstützt und jungen Filmemachern die Türen zu einer Karriere geöffnet. Dabei blieb er seiner kritischen Haltung treu und engagierte sich für Filme, die gesellschaftlich etwas bedeuten. Etwa wenn er Walter Salles‘ Projekt über den jungen Ernesto Che Guevara, „The Motocycle Diaries“ (Die Reise des jungen Che, 2004) als Produzent ermöglichte. Robert Redford verkörperte ein besseres, moralisches Amerika, das in Zeiten von Donald Trump Gefahr läuft, an den Rand gedrängt zu werden.

 

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