Cannes 2023/8

Eine surreale Komödie, ein kirchenkritischer Historienfilm und eine Hommage an die Kochkunst – drei sehr unterschiedliche Filme liefen am achten Festivaltag im internationalen Wettbewerb.


Zunächst eine völlig verrückte Komödie von Wes Anderson,  Asteroid City. Es geht um die Entstehung und Inszenierung eines Theaterstücks. Alles, was auf der Bühne geschehen soll, wird erklärt und in Schwarz-Weiß dokumentiert. Die Handlung wird aber gleichzeitig als Film gedreht, bunt, sehr bunt, Dekor und Set sehen aus wie Bonbondosen. Die Geschichte, die da erzählt wird, ist unerheblich und nur Vorwand für absurde Dialoge. Man lacht, man freut sich. Reine Entspannung. Muss auch mal sein.

Der zweite Wettbewerbsfilm dagegen wiegt schwer. Rapito von Marco Belocchio führt uns in das Italien des 19. Jahrhunderts und erzählt uns eine Geschichte, die, ganz wie Esterno Notte, seine Serie über Aldo Moro, auf einer wahren Begebenheit beruht. Der kleine Edgardo Mortara Wird seiner jüdischen Familie im Ghetto von Bologna entrissen. Der Inquisitor hatte in Erfahrung gebracht, dass ein christliches Dienstmädchen den Jungen heimlich getauft hatte, als er noch ein Baby war. Nach dem katholischen Gesetz muss das Kind damit christlich erzogen werden.


Er kommt in das Haus der Katechumenen in Rom, das direkt unter dem Schutz des Papstes steht. Die Familie versucht absolut alles, nichts hilft. Das Tragische dabei ist, dass Edgardo schließlich Priester wird und dem Papst dafür dankbar ist, dass er ihn „gerettet“ hat. Er versucht sogar, seine Mutter auf ihrem Sterbebett zu taufen. Das bedeutet, dass Gehirnwäsche wirkt. Das lässt uns für die nach Russland deportierten ukrainischen Kinder fürchten. Der Papst war Pius IX., der das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit verkündete.


Der dritte Wettbewerbsfilm schließlich macht Hunger und Lust zu kochen. La passion de Dodin Bouffant von Tran Anh Hung (der 1993 in Cannes mit Der Duft der grünen Papaya die Goldene Kamera gewann) beruht auf dem Roman La Vie et la passion de Dodin-Bouffant gourmet (1924) von Marcel Rouff. Eine außergewöhnliche Köchin arbeitet seit 20 Jahren für einen berühmten Gastronom, ihre glückliche Zusammenarbeit erschafft wunderbare Gerichte. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Liebesbeziehung. Der ganze Film besteht in der genüsslichen Darstellung der Küche, der Gerichte, der feinen Dekoration der Esstische – alles viel zu fein, zu sauber und zu schön, um realistisch zu sein. Aber das war ja auch wohl kaum das Anliegen des Regisseurs. Man schmunzelt bei der poetischen Beschreibung der Aromen, man riecht fast die Pilze brutzeln, die unbefleckten Schürzen und das glückliche Lächeln der Beteiligten versetzen uns in eine andere Welt, wie sie von den warmen Farben, den schönen Blumen und den Kerzen ins Leben gerufen wird. Ein Genuss.