Den Blick nach Osten weiten

Zum 25. Mal fand in Cottbus das Festival des osteuropäischen Film statt: Notizen von Angelika Obert
The Strongwoman

The Strongwoman (Siłaczka)


Filme, die wahrhaftige Geschichten erzählen, können uns die fernsten Menschen nahe bringen und auf diese Weise sogar eine Schule der Nächstenliebe sein, die mit dem Hingucken beginnt. Darum geht der Film die Kirche etwas an, erklärte Julia Helmke, die Präsidentin der Internationalen Kirchlichen Filmorganisation INTERFILM, auf dem Empfang der Kirchen beim Festivals des osteuropäischen Films in Cottbus. Die Besucher in der Oberkirche konnten einen nahen Blick in die Ferne dann auch erleben mit dem Dokumentarfilm „The Strongwoman“ (Siłaczka, Polen 2014, Regie: Kacper Czubak, Iwona Kaliszewska), der sie in ein kaukasisches Bergdorf führte. Zu sehen war das Porträt einer nicht mehr jungen Frau mit Kopftuch, die gleich zu Beginn erklärt, der Glaube sei für sie das Wichtigste im Leben. Man sieht sie beten und Heu harken, aber auch als Judolehrerin die Dorfjugend trainieren. Immer habe sie Lust am Kämpfen gehabt, erklärt sie. Beim Tanz treibt sie die Männer an, auf dem Dorfplatz sagt sie ihnen die Meinung. Sie ist eine fromme Muslima, die sich ganz anders verhält als es das verbreitete Bild vom Islam vermuten lässt. Der Film wurde im Festival-Sonderprogramm „Islam in Osteuropa“ gezeigt.

Klischees aufbrechen, gegen Vorurteile angehen, das wollen die Veranstalter des Filmfestivals nun schon seit 25 Jahren, indem sie Filme nach Cottbus bringen, die vom Alltag in den postsowjetischen Staaten erzählen. Diese Filme kommen hierzulande ja fast nie ins Kino und sie könnten doch manches schiefe Bild, das durch die verkürzenden Tagesnachrichten entsteht, gerade rücken. „Eigentlich ist es bei uns heute ja genauso wie im Westen, nur existentieller,“ sagte Anita Uzulniece, eine Filmjournalistin aus Lettland, die in diesem Jahr Vorsitzende der Ökumenischen Jury war. Vielleicht ist es tatsächlich das „Existentiellere“, was am osteuropäischen Kino oft anrührt. Die ökumenische Jury vergab ihren Preis an „Sauerkirschen“, einen Film, der von Liebe und Demenz im Alter erzählt, nur eben anders als westliche Filme das tun: Hier geht es nicht um ein gutbürgerliches Paar, sondern um zwei bäuerliche Menschen, die in ihr vom Krieg zerstörtes Dorf zurückkehren. 

Dass die Liebe nach den Hasswellen des Krieges doch wiederkehren kann, davon erzählt der kroatische Film, der den Hauptpreis gewann: „Mittagssonne“ schildert drei Liebesgeschichten zwischen einer Serbin einem Kroaten zwischen 1991 und 2011. „Gute Filmauswahl, herzliche Atmosphäre, man fühlt sich wie in einer großen Familie“, meinte Anita Uzulniece zum Cottbusser Filmfestival. Und so hieß es bei der Abschlussveranstaltung ganz zu Recht: „Auch wenn das Festival im November stattfindet, fühlt es sich in Cottbus irgendwie wärmer an als in Cannes.“