Mit Fokus auf den wunden Punkt

Eindrücke vom Filmfestival Max Ophüls Preis 2011 von Harald Koberg, Graz (Mitglied der INTERFILM-Jury)

Politischer ist er geworden, der Nachwuchs an Filmemacherinnen und Filmemachern, die zum nunmehr 32. Mal in Saarbrücken ihre Filme präsentierten. Politischer und wohl auch direkter in ihrer Kritik. Dort, wo das soziale Netz nicht hält, wo die Gesellschaft Menschen an den Rand drängt und sie in die Verzweiflung treibt, dort setzen viele Drehbücher an und begleiten ihre Figuren ein Stück weit auf ihrem schwierigen Weg. Familien, mit all ihren Kommunikationsstörungen, ihrer Zuneigung und den unverarbeiteten Vergangenheiten sind Thema geblieben. Doch nun drehen sich die Geschichten vor allem auch um Migration, um gesellschaftlichen Druck und um die Angst vor dem Fremden. Qualitativ hochwertige und emotional schwere Filme waren es, die den Wettbewerb bestimmten. Themen, die von politischen Schönrednern gerne beiseite geschoben werden. Wunde Punkte, die aufzeigen, wo das System versagt.

Einen dieser Punkte trifft Christine Repond mit ihrem Film Silberwald, der ihr den Preis der Interfilm-Jury einbrachte. Facettenreich und sensibel zeichnet sie den Prozess einer Radikalisierung. Drei Jugendliche aus der ländlichen Schweiz treffen in einer Phase der Identitätssuche auf eine Gruppe Neonazis, die im Geheimen feiert. Angezogen von provokativen Symbolen und klaren Strukturen steht jeder für sich vor einer Entscheidung. In ruhigen Bildern finden die Langeweile und die daraus resultierenden Entwicklungen eine angemessene filmische Form.

Mit ähnlicher Aktualität beeindruckt auch der Gewinner des Max Ophüls Preises 2011, Der Albaner von Johannes Naber (Deutschland 2010). Von den patriarchalen Strukturen in seiner Heimat unter Druck gesetzt gelangt ein junger Albaner nach Deutschland. Das Geld liege hier auf der Straße, hat man ihm gesagt. Und der Vater seiner schwangeren Geliebten verlangt zehntausend Euro Mitgift, bevor er einer Hochzeit zustimmt. Im fremden und abweisenden Ausland wird die anfängliche Naivität mit einer brutalen Realität konfrontiert. Das schnell verdiente Geld liegt lediglich aus riskant kriminellen Abwegen und bald droht alles zu Bruch zu gehen. Mit viel Gefühl für die karge Schönheit albanischer Täler schafft der Film einen starken Einstieg, der sich in den Häuserschluchten deutscher Städte langsam verläuft. Gegen Ende wird die Geschichte größer, als sie es hätte werden müssen und nimmt sich damit selbst an Authentizität.

Herausragend, wenn auch leider nicht prämiert ist Brigitte M. Berteles Der Brand (Deutschland 2010). Ohne je von ihrer Protagonistin abzuweichen begleitet sie ein Vergewaltigungsopfer bei ihren Versuchen, mit dem Geschehenen abzuschließen. Vom Rechtssystem nach einer Gegenklage des Täters im Stich gelassen, wird ihr Verlangen nach Gerechtigkeit immer zwanghafter und stößt ihr Leben aus sämtlichen gewohnten Bahnen. Unnachgiebig bleiben die Szenen an der Perspektive des Opfers haften und zeigen so fast beiläufig, wie auch ihr Umfeld an der Verstörung der jungen Frau zu zerbrechen droht. Fast unabhängig von wohlmeinenden und versagenden Strukturen um sie herum scheint sie mit der Verarbeitung auf sich alleine gestellt zu sein.

Ebenso vielfältig wie das filmische Program waren auch die Urteile der verschiedenen Jurys. Die hohe Dichte an eindrucksvollen Filmen zog eine Reihe von lobenden Erwähnungen nach sich, die der allgemeinen Zufriedenheit mit dem trotz seiner wachsenden Größe familiär gebliebenen Festivals keinen Abbruch taten.