Freedom Film Festival Berlin

Margarete Wach in: film-dienst 06/02

Noch bevor die “Berlinale“ begann, stand bereits Andreas Dresen als Preisträger fest: beim “Freedom Film Festival”, veranstaltet von der American Cinema Foundation und der Philip-Morris-Kunstförderung, das ausgewählte Filme aus Mittel- und Osteuropa zeigte (8.-10.2.), erhielt er den „Andrzej Wajda/Philip Morris-Preis“. Seine Arbeit zeichne sich, so die international besetzte Jury, durch einen Scharfblick aus, der seine Filme zu einer folgerichtigen Untersuchung gesellschaftlicher Realitäten voller Mitgefühl mache; eine Einschätzung, der sich die Internationale Jury der „Berlinale“, die Dresens aktuellem Film >Halbe Treppe< einen „Silbernen Bären“ verlieh, gewiss hätte anschliessen können. Zum Auftakt war sein Kurzfilm >Jenseits von Kleinwanzleben< zu sehen, der 1989 an der Babelsberger Filmhochschule entstand und, wie oft bei Dresen, Menschen in den Mittelpunkt stellt, die durch die Zeitläufe aus der Bahn geworfen wurden: DDR-Bürger, die im Frühjahr 1989 ein Entwicklungshilfeprojekt in Simbabwe aufbauen, sich als mustergültige „sozialistische Familien“ samt importiertem Inventar im Busch einrichten, während in der Heimat das System zusammenbricht.

Der pointierte Dokumentarfilm, bereits bei seiner Entstehung ein Zeitdokument, gab thematisch die Stossrichtung vor. Auch die anderen Beiträge warfen Schlaglichter in die Vergangenheit, die Rückschlüsse auf die Gegenwart zuliessen: ob in Gyula Gazdags Regafilmen >Der quiekende Pflasterstein< (1971) und >Zwei Herren im Drei-Viertel-Takt< (1974), einer ungarischen Version der 68er-Kulturenrevolution oder in Nachmittag mit einem >Folterer< (2000) des Rumänen Lucian Pintilie. Das fiktive Interview mit einem netten Alten, der sich als Folterknecht der Securitate entpuppt, verweist über die Exzesse der kommunistischen Ära hinaus mit einer scheinbar versöhnlichen Geste des Opfers noch auf ein anderes Problem: die kollektive Amnesie und unterlassene Auseinandersetzung mit den Schrecken der Diktatur. Robert Buchar und David Smith zeichnen in dem Dokumentarfilm >Velvet Hangover< (USA 2000) mit Interviews der tschechischen Regisseure Vera Chytilová, Jiri Menzel, Jan Nemec, Ivan Passer und Karel Vacek die Zeit einer legendären   Kino-Ära nach. Die Helden von einst finden sich in der heutigen Kinolandschaft nicht mehr zurecht, ihre unzeitgemässe Kritik am Verfall moralischer und ästhetischer Normen mag sich die Nostalgie ausnehmen. Rückblickend wird klar, das die tschechische Neue Welle eine seltene, bis heute singuläre Verquickung aus finanziellem Freiraum, künstlerischer Innovationslust und ziviler Entschlossenheit war. Ihre Spuren aber hat sie, ob bei Sascha Gedeon oder Jan Sverak, auch in den Werken der Samtenen Generation hinterlassen.