Sehr geehrter Herr Jung, sehr geehrter Herr Hartmann, lieber Sascha Keilholz, liebe Mitglieder der Jury, sehr geehrte Damen und Herren,
Es ist einer der schönsten Termine für mich, hier bei Ihnen sein zu können, weil ich immer wieder aufs Neue beeindruckt bin von der Vielfalt und vom Engagement des Programms vom Festival Mannheim Heidelberg.
Und natürlich bin ich vor allem auch dankbar für die Möglichkeit, dass wir uns im kirchlichen Rahmen am Rand des Festivals hier immer wieder zusammensetzen können.
Ich glaube, dass ein Festival wie das hier in Mannheim und Heidelberg immer wichtiger werden wird, denn gerade in einer Zeit, in der immer mehr Menschen dazu kommen, einfach nur auf dem Sofa, auf dem Laptop oder auf dem Handy Filme zu sehen, gibt es eine Sehnsucht danach, in einem Raum zu sein mit anderen Menschen und ein gemeinsames Erlebnis zu haben beim Sehen eines Filmes, ähnliche, aber doch auch unterschiedliche Emotionen zu erleben und am Ende des Films, wenn das Licht wieder angeht, den Menschen ins Gesicht schauen zu können und zu sagen, wir haben eben etwas Ähnliches erfahren, vielleicht sogar durchlitten, aber wir haben etwas gemeinsam erlebt, wir haben gemeinsam Menschen kennengelernt und eine Geschichte gehört.
Ich glaube, dass diese Erfahrung immer wichtiger werden wird und ich glaube, dass auch die Sehnsucht nach anderen Geschichten, als man sie bei Netflix zu Hunderten sehen kann, groß ist und immer größer werden wird. Und ich bin dem Festival dankbar, wenn ich die Zusammenstellung sehe, denn gerade die Stimmen werden hier hörbar, die viel zu selten vorkommen und viel zu selten gehört werden. Die Geschichte von marginalisierten Menschen, von Menschen am Rande, von Menschen, die unterdrückt werden.
Ich glaube, ein Film wie Peter Hujar's Day ist exemplarisch, ein besonderes Biopic von Ira Sachs mit einem sensationellen Ben Wishaw in der Hauptrolle, über den Fotografen Peter Hujar, der bekannt war in der New Yorker Kulturszene in den 70er und 80ern, aber trotzdem auch wegen seiner Homosexualität nie den Stellenwert in der Öffentlichkeit bekommen hat, der ihm zusteht. Und dass er aus der Versenkung hervorgeholt wird, ist toll. Andere Beispiele dafür sind für mich die Filme "The President's Cake" über ein kleines Mädchen, das einen Kuchen zu Saddam Husseins Geburtstag backen soll, oder der Film "Jahia's Summer", der von einer jungen Frau aus Burkina Faso erzählt, die hofft, in ihrer neuen Heimat Belgien angenommen zu werden und bleiben zu können.
Und dazu sehe ich eine Reihe von Filmen über Frauen und ihre Nöte, die auch schon weit zurückreichen in die 40er und 50er, damals im Gewand des Melodrams – etwa ein Film wie „Mildred Pierce“ oder die Meisterwerke von Douglas Sirk. In diesen sogenannten "women´s pictures" wird deutlich, was Frauen beschäftigt, vielleicht mehr als im heutigen Mainstream- und Blockbuster-Kino.
Und hier kommt auch die kirchliche Filmarbeit ins Spiel. Mit beinahe allen Bereichen unserer Arbeit bemühen wir uns ebenfalls darum, die Stimmen lauter zu machen, die man sonst nicht so deutlich hört. In epd Film veröffentlichen wir Artikel über Bereiche des Filmgeschehens, die in anderen Filmpublikationen (außer natürlich beim Filmdienst) nicht auftauchen. Bei einer Agentur wie dem Evangelischen Zentrum für Entwicklungsbezogene Filmarbeit in Zusammenarbeit mit "Brot für die Welt" bemühen wir uns darum, Filme aus dem globalen Süden, die zum Teil auch bei Festivals gelaufen sind, in die deutsche Bildungsarbeit zu bringen. Filme wie "Shambhala" aus Nepal oder "Kuhli Never Cries" aus Vietnam, die beide in Berlin gelaufen sind.
Und wir setzen uns ein für Filme wie „Sorry, Baby“ und „Hamnet“, die in den nächsten Wochen erscheinen werden. Beide Filme sind sehr unterschiedlich. „Sorry, Baby“ erzählt auf eine persönliche, sperrige Art von der Verarbeitung eines sexuellen Übergriffs. „Hamnet“ erzählt davon, wie Anne Hathaway und William Shakespeare den Tod ihres Kindes verarbeiten, basierend auf dem Roman von Maggie O`Farrell. „Sorry, Baby“ ist eine unabhängige Produktion, „Hamnet“ wird unter anderem von Steven Spielberg produziert. Aber beide Filme erzählen speziell aus einer weiblichen Sicht und von weiblichem Schmerz, und das macht sie spannend und das macht sie auch widerspenstig in einer Zeit, die meiner Meinung nach immer mehr von einer neuen Härte geprägt ist.
Aber die kirchliche Filmarbeit ist dabei auf Partnerinnen und Partner angewiesen, und ganz besonders auf die Zusammenarbeit mit Festivals. Deshalb ist gerade der Schwerpunkt, den ich in dem diesjährigen Programm von Mannheim und Heidelberg sehe, ein Anliegen, das auch uns immer wieder umtreibt. Wir wissen alle, dass wir in politisch unruhigen Zeiten leben und wir wissen, dass Filme nicht immer die Antwort auf unsere Probleme bieten können. Aber diese beiden Dinge sind wirklich entscheidend für die Zukunft der Festivals und der kirchlichen Arbeit, wenn nicht sogar des Kinos insgesamt, abgesehen von allen Blockbustern, die ein bis vier Milliarden Dollar einspielen.
Erstens, dass wir die Gelegenheit zu schaffen, etwas gemeinsam zu erleben, über das man nachdenken, über das man sprechen kann, das auf jeden Fall bewegt und auch weiter im Leben begleitet. Und zweitens, dass wir auf die Geschichten hinweisen, die von Menschen erzählen, die zu wenig Aufmerksamkeit erhalten.
Ich danke wie immer ganz herzlich dem Festival hier in Mannheim und Heidelberg für die liebevolle Kuratierung des außerordentlich vielseitigen Programms. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Kombination von spannenden Filmen aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart. Denn wie Peter Bogdanovich gesagt hat: „There are no old movies, only movies you have already seen and ones you haven’t.“
Ich danke Ihnen ganz herzlich und wünsche uns allen eine gute Begegnung hier und ein wunderbares Festival.
Christian Engels ist Leiter des EZEF (Evangelisches Zentrum für entwicklungsbezogene Filmarbeit), der Filmkulturellen Arbeit im GEP (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik) und Senderbeauftragter für Pro7, Sat.1 und RTL.