Bericht von Hans Hodel


Den Filmemachern verpflichtet, die sich für die Präsentation ihrer Filme am Festival Visions du Réel beworben und dafür ausgewählt wurden, beziehungsweise ihren ausgewählten Produktionen verpflichtet, hat sich das Festivalteam in der Folge der Ausbreitung der Covid-19 Pandemie gerade noch rechtzeitig auf das Experiment einlassen können, das geplante und definierte Programm online anzubieten – eine Notlösung, wie Festivaldirektorin Emilie Bujès zutreffend festgestellt hat: «Ein Festival ist ein Fest und dazu gehört das Erlebnis seiner Atmosphäre, gehört das kollektive Erlebnis, die persönliche Begegnung und spontane Diskussion, eine herzliche Umarmung.» Es ist trotz geschlossener Kinos und dem reichhaltigen Streaming-Angebot von Filmen höchst schwierig, sich vorzustellen, ein solches virtuelles Festival könnte die Zukunft sein. Jedenfalls nicht für große Festivals. Das zeigt die bereits bekannte Entscheidung des Festivals von Cannes deutlich. Aber die Zukunft der Festivals bleibt ungewiss.

Die Festival-Eröffnung

Statt erst am 24. April, wie ursprünglich vorgesehen, und nicht reell im „Village du Réel“ im schönen Städtchen am Genfer See, sondern bereits am 17. April und virtuell wurde die diesjährige 51. Ausgabe des Filmfestivals „Visions du Réel“ Nyon aufgrund der durch Covid-19 verursachten Restriktionen gestartet. Im Rahmen eines kleinen virtuellen Eröffnungsanlasses würdigte der neue Festivalpräsident Raymond Loretan die großen Bemühungen des Festivalteams für die kurzfristig ermöglichte Realisierung dieser außergewöhnlichen Online-Edition. Ferner wandten sich Festivaldirektorin Emilie Bujès sowie Vertreter und Vertreterinnen von Stadt, Kanton und Bund sowie der Hauptsponsoren mit Grußbotschaften an die virtuellen Besucher. Anschließend konnte der Eröffnungsfilm «Reunited» von Mira Jargil (Dänemark 2020) exklusiv gestreamt werden. Durch den Krieg getrennt, kämpft eine in Dänemark gestrandete syrische Mutter darum, nach vielen Jahren mit ihren beiden in der Türkei lebenden Söhnen und ihrem Ehemann wiedervereint zu werden.

Die von INTERFILM und SIGNIS nominierte interreligiöse Jury wird die 14 langen Dokumentarfilme im offiziellen Wettbewerb in der Zeit vom 22. bis 30. April streamen und virtuell diskutieren. Die Liste der Gewinner wird am Sonntag, 3. Mai bekannt gegeben.

Das interessierte Publikum kann gratis streamen

Seit der virtuellen Eröffnung des Festivals steht das Programm dem Publikum online und gratis zur Verfügung. «Wir bieten es gratis an, weil wir das Gefühl haben, dass online gerade sehr viele Filme angeboten werden, und wir wollen sicherstellen, unseren Filmen so viele Chancen wie möglich zu geben, damit sie gesehen werden können“, sagte Emilie Bujès. Die Finanzierung von Bund, Kanton, Stadt und der Sponsoren in Höhe von insgesamt 3,3 Millionen Franken bleibt dem Festival für 2020 erhalten und ermöglicht dieses Vorgehen. Die Ticketeinnahmen deckten bisher nur die Kosten für die Infrastruktur. Glücklicherweise konnte der bisher vorgesehene Aufbau der zusätzlichen Kinosäle und der Festivalcontainer und Zelte rechtzeitig gestoppt werden, so dass diese Kosten nicht mehr anfallen.

Das Programmangebot

Die 130 Filme der offiziellen Selektion werden in zwei Blöcken auf der Website des Festivals (www.visionsdureel.ch) bereitgestellt. Der erste Teil ist vom 17. bis 24. April verfügbar. Darunter sind die Filme des Internationalen Wettbewerbs (Mittellange Filme und Kurzfilme) sowie die Sektion «Opening Scenes» (OS). Vom 25. April bis 2. Mai werden die Filme des Internationalen Wettbewerbs (Langfilme) und des Internationalen Wettbewerbs «Burning Lights» sowie die außerhalb des Wettbewerbs programmierten Filme der Sektion «Latitudes» gezeigt. Die Filme der Sektion «Grand Angle» werden vom 25. April bis 3. Mai angeboten. Pro Tag gibt es dabei einen Film, der dann 24 Stunden lang gestreamt werden kann.

Um die Filme anschauen zu können (jeweils limitiert auf 500 Zuschauer-Innen), muss man lediglich einmal einen Account eröffnen. Wer mit der Filmflut überfordert sein sollte, der geht auf der Website auf «Sélection du jour» oder «Auswahl des Tages». In dieser Sektion der Website empfiehlt das Festival jeden Tag immer nur eine kleine Auswahl von Filmen.

«Es ist traurig, wenn man alles hier so leer sieht», sagt die Direktorin Emilie Bujès, als sie vor dem ungeschmückten Festivalgebäude steht.

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Das Festival Visions du Réel in Nyon fand aufgrund der Corona-Pandemie 2020 in einer Online-Version statt.