Treffpunkt Kirche auf der Berlinale

Trotz Baustellenatmosphäre und Multiplex-Anonymität - reibungsloser als befürchtet hat sich der Umzug der Berlinale vom Areal am Bahnhof Zoo und den Kinos am Kurfürstendamm zum Potsdamer Platz vollzogen. 2000 war zugleich ein Jubiläumsjahr für das Festival - zum 50. Mal fand die Berlinale statt. Die Kirche hat diesen Neubeginn für eine Erweiterung ihrer Präsenz auf den Filmfestspielen genutzt. Die auf dem Kulturforum nahe dem neuen Festivalzentrum gelegene evangelische Matthäuskirche wurde zum Berlinale Meeting Point - für Festivalgäste, die während einer Orgelmeditation eine halbe Stunde Ruhe im Festivaltrubel suchten, die an Gesprächen mit Regisseuren teilnehmen oder einen der kirchlichen Veranstaltungen wie den traditionellen ökumenischen Empfang der Berlinale besuchen wollten. Dort stellte sich nicht nur die ökumenische Jury vor, die ihren Preis an den chinesischen Wettbewerbsbeitrag von Zhang Yimou („The Road Home“, der auch einen Silbernen Bären der Internationalen Jury erhielt) vergab. Neben den beiden Gastgebern, Bischof Dr. Wolfgang Huber, und Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky, sprachen dort erstmals auch der Vetreter der jüdischen Gemeinde in Berlin, Andreas Nachama, und der Filmbeauftragte des Rates der EKD, Werner Schneider.

Der kirchliche Meeting Point bot der ökumenischen Jury Gelegenheit, ihre Preise nicht nur auf der abschließenden internationalen Pressekonferenz, sondern in einer eigenen Veranstaltung vorzustellen. Zhang Yimou nahm seine Auszeichnung persönlich entgegen. Der mit 5000.- DM dotierte Preis für einen Film des Internationalen Forums des jungen Films ging an „Die großen Ferien“ des niederländischen Dokumentaristen Johann van der Keuken. Ebenfalls 5000.- DM erhielt der argentische Dokumentarfilm „Kriegsbeute“ von David Blaustein aus der Panorama-Sektion des Festivals - ein Film über den Kampf der Großmütter der Plaza de Mayo für ihre während der Militärdiktatur verschwundenen Enkel.

Hans Werner Dannowski, Interfilm-Präsident und Präsident der diesjährigen Kirchenjury, hielt auch den Gottesdienst zur Verleihung des John Templeton European Film Award, der zum dritten Mal während der Berlinale verliehen wurde. Mit dem Preis der John Templeton Foundation wird ein künstlerisch bedeutender Film ausgezeichnet, der in der Tradition des Evangeliums spirituelle und soziale Werte zum Ausdruck bringt. Eine von Interfilm berufene Jury vergab den Preis dieses Jahr an die junge türkische Regisseurin Yeşim Ustaoglu für ihren Film „Reise zur Sonne“, der sich mit der gesellschaftlichen Stigmatisierung der Kurden beschäftigt. Kein politisches Pamphlet, sondern eine persönliche und poetische Geschichte, erzählt der Film von einer Zuneigung, die die Furcht vor Ausgrenzung und Verfolgung überwindet: Als sein Freund Berzan nach einer Demonstration in Istanbul verhaftet und ermordet wird, bringt der junge Türke Mehmet den Sarg mit dem Leichnam auf einer langen Reise zurück in dessen kurdisches Heimatdorf, um ihn dort zu bestatten.

Einmal wurde die Matthäus-Kirche auch zum Kino. Vorgeführt - und im Anschluß diskutiert - wurde der Film „Bonhoeffer - Die letzte Stufe“ mit Ulrich Tukur in der Titelrolle. Der Film, eine kanadisch-deutsche Koproduktion unter Mitwirkung der Eikon, erzählt von dem Pastor und Widerstandskämpfer in den Jahren ab 1939 bis zu seiner Ermordung in Flossenbürg 1945. Er wurde inzwischen auf dem internationalen TV-Festival in Monte Carlo als bester europäischer Fernsehfilm ausgezeichnet und wird in Deutschland für den nichtgewerblichen Verleih über die Matthias-Film in Stuttgart verfügbar sein.